Kommentar Chinas Tibet-Politik: Ein dementierter erster Schritt

China lockert seinen harten Kurs gegenüber Tibet und dem Dalai Lama, berichten Exil-Organisationen. Peking hingegen dementiert einen Politkwechsel.

Dalai Lama: So stellt man sich einen spirituellen Führer vor. Bild: reuters



Kommt Pekings festgefahrene Tibet-Politik, die allein den Dalai Lama für tibetische Unabhängigkeitsbestrebungen verantwortlich macht, endlich in Bewegung? Eine exiltibetische Organisation hatte am Donnerstag berichtet, dass Chinas Regierung das Verbot, Bilder des spirituellen Oberhauptes in Tibet zu zeigen, testweise aufhebt. Mönche im wichtigen Kloster Ganden bei Lhasa dürften künftig Fotos vom Dalai Lama präsentieren.

Am Freitag kam dann das Dementi aus Peking. Der BBC teilte das Büro für religiöse Angelegenheiten mit, es gebe keinen Politikwechsel. Schade. Doch zumindest scheint Pekings verhärtete Tibet-Politik, die den Dalai Lama immer nur verteufelt und von allen Klöstern verlangt, ihm abzuschwören, intern umstritten zu sein. Denn der bisherige fundamentale Angriff auf die tibetische Identität ging nach hinten los. Peking machte sich so besonders viele Feinde in Tibet und sorgt dort für eine Verzweiflung, die in den letzten beiden Jahren zu rund 120 Selbstverbrennungen geführt haben. Das blieb lberalen Kräften in Peking nicht verborgen. 



Die Zulassung von Bildern des Dalai Lama wäre zu begrüßen, wenn sie vielleicht auch nicht risikolos wäre. Denn sie könnte, ganz wie in den 50er Jahren die von Mao Zedong ausgerufene „Hundert-Blumen-Bewegung“ („Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern“), womöglich dazu benutzt werden, Andersdenkende, in diesem Fall Anhänger des Dalai Lama, zu identifizieren und gezielt auszuschalten.

Bisher schien Peking darauf zu warten, dass der Führer der tibetischen Buddhisten stirbt, China dessen Reinkarnation zum eigenen Nutzen manipuliert und sich so einen genehmen Nachfolger schaffen kann. Den jetzigen Dalai Lama durch Zeigen seins Abbildes aufzuwerten bedeute, ihm selbst in seinem Nachfolgeprozess mehr Gewicht zu verleihen. Das wäre für Peking nicht ohne Risiko Doch Peking wird auch aus eigenem Interesse nicht umhin kommen, die religiöse Führungsrolle des Dalai Lama anzuerkennen.

Dauerhaft wird Chinas Regierung nur mit Dialog und Kompromissbereitschaft das Tibet-Problem lösen können und dürfte dann noch froh sein, mit dem jetzigen Dalai Lama einen so realpolitischen wie kompromissbereiten Gesprächspartner zu haben. Ob das jetzt offenbar zumindest diskutierte „Experiment“ dann wirklich so weit reicht, ist noch völlig offen. Erstmal wäre es nur ein allererster Schritt in die richtige Richtung.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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