Kommentar Comeback der FDP: Sie haben gefehlt, aber nur bisschen

Die FDP im Parlament hätte den Wäh­ler­zu­strom zur AfD zumindest bremsen können. Warum sie trotzdem niemand richtig vermisst hat.

Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen FDP, Christian Lindner, jubelt bei der Wahlparty seiner Partei

Die Lindner-FDP riecht zwar mehr nach Silicon Valley als nach Düsseldorf – auch wenn sie hier gerade in Düsseldorf feiert Foto: dpa

Im Herbst wird die FDP aller Voraussicht nach wieder in den Bundestag einziehen. Gut so. Vier Jahre lang haben die Liberalen als wichtige Stimme in der Politik gefehlt, am ehesten wohl im Herbst 2015. Angela Merkels Öffnung der Grenzen war nicht alternativlos.

Grüne und Linke fielen als parlamentarische Opposition in dieser Frage aus, und so gewannen zunächst die, die am lautesten schrien und die Debatte mit deutschnationalen Argumenten befeuerten: die AfD. Die FDP als parlamentarische Opposition hätte 2015 den Wäh­ler­zu­strom zur AfD zumindest bremsen können und dafür gesorgt, dass der Streit darüber dort ausgetragen worden wäre, wo er hingehört: in der politischen Mitte.

Man muss die Meinungen der FDP nicht teilen, aber sie liefert wichtige Beiträge zum politischen Wettbewerb. Das gilt auch für die Position der Liberalen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den die Partei auf seine Kernkompetenzen Information, Bildung und Kultur zurückschneiden will, und für ihr Rentenkonzept, das einen flexiblen Renteneintritt statt starrer Altersgrenzen vorsieht.

Aber so begrüßenswert der Wiedereinzug der FDP in den Bundestag wäre, ihre Beteiligung an einer neuen schwarz-gelben Regierung wäre es nicht. Die Lindner-FDP riecht zwar mehr nach Silicon Valley als nach Düsseldorf, auch wenn sie von Düsseldorf aus ihren Feldzug angetreten hat. Aber eben deshalb ist sie nicht sozialer als die alte FDP.

Amazon, Uber, Airbnb und Zalando haben mit rohem Kapitalismus mehr zu tun als mit sozialer Marktwirtschaft. Die Liberalen machen sich viele Gedanken darum, wie man die Digitalisierung vorantreiben, und wenige, wie man sie sozial gestalten kann. Die Leiharbeit soll gefördert, Minijobs sollen ausgedehnt werden. Hinzu kommen die alten Krankheiten der FDP: etwa die, sich als Partei der Immobilienbesitzer zu verstehen. Sie will die ohnehin kaum wirksame Mietpreisbremse abschaffen und den sozialen Wohnungsbau reduzieren.

Möglich, dass die Liberalen bis September noch einmal richtig Fahrt aufnehmen. Die Lindner-FDP ist politisch smart, derzeit zumindest smarter als SPD, Grüne oder Linke. Selbst wenn es augenblicklich nicht nach einer Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis aussieht, sollten die drei Parteien wenigstens in der Lage sein, die Rückkehr des kalten Liberalismus in die Regierung zu verhindern.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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