Kommentar Datensammlung der Polizei: Erfolgreiche Verdunkelungstaktik

Das Verhalten der Polizei soll offensichtlich verhindern, dass die Betroffenen und die Öffentlichkeit das ganze Ausmaß der Schnüffelei erfahren.

Ein Aktenschrank voller Akten.

Wie sahen die Akten der Göttinger Polizei aus? So nicht: Diese Akten gehören dem Kraftfahrtbundesamt in Flensburg Foto: dpa

Taktisch hat sie es gut gemacht, das muss man der Göttinger Polizei anerkennen. Durch ihre Erklärung an das Verwaltungsgericht, dass sie über Aktivist*innen aus Göttingens linker Szene illegal Daten gesammelt haben, entzieht sie sich geschmeidig der Aufklärung. Da sie das schon nach dem ersten Anhörungstermin mit einer Erklärung anerkannt hat, wird den Kläger*innen zwar Recht gegeben, aber die Möglichkeit, vor Gericht mehr über Details dieser Datenaffäre zu erfahren, hat sich damit weitgehend erledigt. Weder Betroffene noch die Öffentlichkeit sollen aus Sicht der Polizei wohl das ganze Ausmaß der Schnüffelei erfahren.

Dass das die Strategie war, ist nicht neu. Nachdem bekannt wurde, dass in der Staatsschutzabteilung Aktenordner voll personenbezogener Daten lagern, versprach die Polizei demütig eine umfassende Aufklärung, nur um im nächsten Atemzug mitzuteilen, dass die „Limo“-Ordner vernichtet worden seien. Die wenigen Kopien, die es von Teilen der Ordner noch gibt, lassen aber erahnen, dass die 25 Klagenden nur einen Bruchteil aller Betroffenen ausmachen – es dürften Hunderte sein und das über Jahre hinweg.

Glaubt überhaupt jemand ernsthaft, dass die Ordner wirklich geschreddert wurden? Das hatte die Polizei Göttingen schon einmal in einem ähnlichen Fall behauptet, einige Jahre später tauchten die Ordner aber urplötzlich wieder auf.

Es ist gruselig, wie einfach linkspolitisch Aktive ins Visier des Göttinger Staatschutzes geraten sind. Da reichte es schon, bei einer Sitzblockade gegen Nazis mitzumachen. Ab dann wurde munter alles notiert, was man so über diejenigen herausfand, ob nun die Teilnahme an einer Diskussionsveranstaltung in der Uni oder wo jemand bevorzugt einkaufen geht.

Offensichtlich nahmen die Staatsschutzbeamt*innen ihre Sache ziemlich ernst. Warum eigentlich? Längst ist Göttingens linke Szene nicht mehr so groß und konfrontativ, wie sie es noch in den 80ern und 90ern war. Der damals dadurch aufgestockte Staatsschutz ist es aber noch immer.

Immerhin laufen noch ein paar Verfahren, bei denen Hoffnung besteht, dass dort etwas Licht ins Dunkle kommt und Beamt*innen vor Gericht aussagen müssen, was man sich beim Datensammeln so gedacht hat. Auch wenn die Hoffnung darauf klein ist, ist sie immer noch meilenweit größer, als den Versprechen der Polizeiführung zu glauben, dass die Überwachung zu Ende sei. Denn illegale Polizeiüberwachung hat in der Unistadt seit Jahrzehnten Tradition.

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Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.

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