Kommentar: Deutsche Männer fürchten um „ihre“ Frauen: Die rassistische Empörung

Die plötzliche Aufregung über sexualisierte Gewalt gegen Frauen bedient einen rassistischen Diskurs. Um Frauen geht es dabei nicht wirklich, um Sexismus schon gar nicht

Grapschen auf dem Kiez wollen sie neuerdings verhindern: PolizistInnen auf St. Pauli Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Plötzlich poppen überall Nachrichten auf, die zuvor niemanden interessiert haben: Am Jungfernstieg hat am Freitag ein Mann einer Frau an den Busen gegrapscht, an der S-Bahn Station Reeperbahn fasste ein anderer am Sonntag einer Frau an den Po. Die Öffentlichkeit ist empört. Und zwar aus genau einem Grund: Alle mutmaßlichen Täter der berichteten Übergriffe haben Migrationshintergrund – vielleicht.

Mit anderen Worten: Hier fassen Fremde unsere deutschen Frauen an. Das dürfen die nicht – das dürfen nur wir, schrei(b)en deutsche Männer. Das war schließlich schon im ersten Weltkrieg so: Die Erzählung der „Schwarzen Schmach vom Rhein“ steht in den Geschichtsbüchern für die Ur-Angst deutscher Männer, dass sich exotische Südländer der als eigen und wehrlos imaginierten Frauen bemächtigen. Diese alte, deutsche Angst kommt nun offenbar wieder hoch.

Die Formulierung „Ein Migrationshintergrund ist nicht auszuschließen“ im Abendblatt und in der Morgenpost ist der Gipfel der rassistischen Empörung. Sie ist auch entlarvend, denn sie sagt: Wenn es sich bewahrheiten sollte, ist es unerhört. Wenn nicht, dann nicht.

Auch für das Opfer eines solchen Übergriffs ist das verletzend. Nicht, was ihm angetan wird, zählt, sondern ob der Täter deutsch ist.

Nicht, was dem Opfer angetan wird, zählt, sondern ob der Täter deutsch ist

Im Diskurs wird außerdem deutlich, wie wenig Ahnung Männer, die es nicht interessiert, von der Realität haben, der Frauen im alltäglichen Patriarchat ausgesetzt sind: Wenn ich höre, dass jemand einer Frau an die Brust grapscht, ekelt es mich und es macht mich wütend, aber es schockiert mich nicht im Entferntesten.

Schockierend ist eher, dass PolitikerInnen sich nicht scheuen, die Opfer sexualisierter Gewalt zu instrumentalisieren. Die Beileidsbekundung von Andreas Dressel (SPD) gegenüber dem Mädchen, das gegen seinen Willen geküsst wurde – ausgesprochen im gleichen Atemzug mit der Forderung nach schnellerer Abschiebung – zeigt nur, dass es nicht um sexualisierte Gewalt geht, geschweige denn um die Betroffenen. Sondern nur um Abgrenzung gegen das „Fremde“ – und letztlich um knallharte Asylpolitik.

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Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

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