Kommentar EU-Präsidentschaft: Verlorene Monate für Athen

Für Griechenland ist die EU-Präsidentschaft eine Last. Es wird diese Aufgabe als Musterschüler bewältigen, aber nicht davon profitieren.

Gibt in Brüssel in den kommenden sechs Monaten den Musterknaben: Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras. Bild: ap

Ausgerechnet die Griechen! Sie werden ab Januar für ein halbes Jahr die Präsidentschaft in der EU übernehmen, was auf viele wie ein vorgezogener Aprilscherz wirkt. Denn die Griechen gelten als die Versager der Eurozone. Drei Verdachtsmomente kehren immer wieder, sobald es um den griechischen EU-Vorsitz geht. Erstens: Die Griechen können es schlicht nicht, denn ihr eigener Staat funktioniert ja auch nicht. Zweitens: Wenn Griechen organisieren, wird es bestimmt korrupt und teuer. Drittens: Die Griechen denken nur an sich und werden den Vorsitz nutzen, um weitere Hilfsgelder zu erbeuten.

Die Realität dürfte sehr anders aussehen. Griechenland wird versuchen, sich als Musterland zu präsentieren, das billig und effizient die EU-Präsidentschaft bewältigt. Denn die griechische Regierung weiß, dass man sich ein Debakel nicht leisten kann.

Bleibt die Frage, wie es mit den Hilfen für Griechenland weitergeht. Auch hier könnte es anders kommen als gedacht. Die EU-Präsidentschaft dürfte sich als ein Hindernis für die Griechen erweisen, denn sie müssen als Moderatoren agieren – was es schwierig macht, eigene Anliegen vorzubringen. So paradox es ist: Weil Griechenland den EU-Vorsitz hat, wird Griechenland nicht prominent auf der Tagesordnung stehen.

Für die Griechen ist die EU-Präsidentschaft also kein Geschenk, sondern eine Last. Sie können höchstens indirekt versuchen, ihre Interessen voranzutreiben, indem sie etwa – ganz allgemein – die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa thematisieren. Aber für Griechenland selbst sind die nächsten sechs Monate verloren.

Bisher hangelt sich das Land von Troika-Besuch zu Troika-Besuch. Das hat keine Zukunft. Doch über Lösungen kann erst ab Juli debattiert werden – wenn die Griechen den EU-Vorsitz endlich wieder los sind.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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