Kommentar EU-Urteil zu Nitrat im Wasser: Frau Klöckner muss sich trauen

Die Überdüngung ist eine Blamage für Deutschland. Jetzt helfen keine Reformen mehr, sondern nur ein radikaler Schnitt. Die Agrarministerin muss handeln.

Ein Traktor bringt großflächig Gülle aus

Der Bauernverband hat noch nicht begriffen, dass durch zu viel Gülle Tiere und Pflanzen aussterben Foto: dpa

Als Bundesbürger schäme ich mich, wenn ich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Deutschland wegen zu viel Nitrat-Dünger in Gewässern lese. Denn für die Bundesrepublik ist es einfach nur peinlich. Jahrelang hat mein Land die EU hingehalten und mit Statistiktricks versucht an der Nase herumzuführen. Ausgerechnet Deutschland, das zum Beispiel in der Finanz- oder der Flüchtlingspolitik gern darauf pocht, dass bitte alle Mitgliedstaaten sich an internationale Beschlüsse halten.

Diese Blamage Deutschlands bei der Europäischen Union muss aufhören. Deutschland muss endlich das EU-Recht zum Schutz der Gewässer vor Nitrat aus Gülle und anderen Stickstoff-Düngern einhalten. Nicht nur, weil sonst die Europäische Union noch weiter an Glaubwürdigkeit und Autorität verlieren würde. Sondern auch, weil zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel beiträgt. Zudem würde es künftig immer teurer werden, Trinkwasser zu gewinnen, wenn immer mehr Nitrat im Grundwasser ist, was die Gesundheit gefährden kann. Und: Wenn Deutschland weiter das Recht bricht, kann die EU Strafzahlungen in Milliardenhöhe verlangen.

Doch der einflussreiche Deutsche Bauernverband hat all das immer noch nicht begriffen. Er beharrt darauf, erst einmal abzuwarten, wie sich das 2017 reformierte Düngerecht auswirkt. Dabei ist jetzt schon klar: Diese Reform reicht nicht. Das hat gerade ein Gutachten des auch bei Konservativen anerkannten Agrarprofessors Friedhelm Taube bestätigt. Sein Fazit: Die neuen Vorschriften würden die Überdüngung nicht nennenswert reduzieren.

Deshalb muss Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) nun nachbessern. Gestrichen werden muss zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Bauern die Nitratmengen kleinrechnen, für die sie verantwortlich sind. Bisher können sie in ihren Düngebilanzen hohe Beträge abziehen – für „unvermeidbare Verluste“ beispielsweise bei der Lagerung oder beim Ernten von Futter. Die Höhe dieser Abzüge ist durch nichts wissenschaftlich belegt. Sie dienen beispielsweise dazu, dass Massentierhalter zu viel Gülle aus ihren Ställen weiter legal auf Wiesen und Feldern entsorgen können.

Klöckner muss schnell handeln. Sie könnte die deutsche Blamage in Brüssel stoppen – wenn sie sich traut, sich gegen den traditionell mit der Union verbundenen Bauernverband zu positionieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.