Kommentar Energiepolitik: Abschied vom Mythos billigen Stroms

Endlich diskutiert die politische Elite über die absehbare Energieknappheit. Das Thema müsste eigentlich schon seit Jahren ganz oben stehen. Leider mangelt es der Debatte an Qualität.

Die steigenden Energiepreise treiben die Politiker in den Aktionismus. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein neuer Vorschlag präsentiert wird. An diesem Wochenende war es der SPD-Vordenker Erhard Eppler, der wegen des Klimaschutzes die Atomkraftwerke länger laufen lassen will. Und Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte die Idee, wegen des Ölpreisanstiegs die Offshorewindparks nun zügig auszubauen.

Das Gute an der Debatte: Endlich diskutiert die politische Elite ein Thema, das seit Jahren eigentlich ganz oben auf der Agenda stehen müsste - die absehbare Energieknappheit. Das Schlechte: Die Qualität der politischen Debatte ist bisher dürftig. Windparks und Ölpreis haben in etwa so viel gemeinsam wie Hand- und Fußball. Windparks produzieren Strom, Öl aber ist kein Stromlieferant. Und mit der Frage Klimaschutz und Atomkraft hat sich in den Achtzigerjahren schon der Bundestag - damals mit schwarz-gelber Mehrheit - beschäftigt. Kernaussage der damaligen Kommission: Wer beim Klimaproblem von der Atomkraft redet, hat das Thema nicht verstanden. Denn AKWs sind zu unflexibel, als dass sie genau jene Menge Strom zur Verfügung stellen könnten, die tatsächlich verlangt wird. Stattdessen produzieren Atomkraftwerke erst einmal Strom, um sich nachträglich einen Abnehmer zu suchen. Das ist ein feiner, aber essenzieller Unterschied - und das absolute Gegenteil von Energieeffizienz.

Da die globalen Zusammenhänge schon nicht verstanden werden, ist es auch wenig verwunderlich, dass die Politik im Detail versagt. Wer wie Tiefensee den Offshoreausbau der Windenergie tatsächlich will, muss auch dafür sorgen, dass dieser Strom transportiert werden kann - und die Leitungen nicht schon mit dem Strom aus jenen Kohlekraftwerken blockiert sind, die die großen Energiekonzerne gerade anvisieren. Konkret heißt das: Wer Offshorewindkraft will, muss die geplanten Kohlekraftwerke verbieten. Rechtlich möglich wäre das, ohne Schadenersatzklagen zu riskieren. Aber dafür müsste sich die Politik von einem Mythos lösen: dem Mythos, dass Energie billig, fossil, atomar und umweltfreundlich zur Verfügung stehen kann.

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Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

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