Kommentar Europäische Linke und Syriza: Absurde Selbstgefälligkeit

Frankreichs Parti de Gauche will Syriza aus der Europäischen Linken werfen. Statt Solidarität spendet der Wagenknecht-Flügel der Linken Beifall.

Alexis Tsipras hält eine Rede auf der Bühne

Da wurde er noch geliebt: Alexis Tsipras, 2015 Foto: dpa

Ach, wie groß war doch der Jubel der Linken jenseits der Sozialdemokratie nach dem Wahlsieg von Syriza und Alexis Tsipras im Januar 2015! Was wurde nicht gerade in Deutschland und Frankreich alles an verwegenen Erwartungen in diese kleine griechische Partei und ihren smarten Frontmann hineinprojiziert, die es wagten, auf Konfrontationskurs zur ganzen Eurogruppe zu gehen. Und wie schnell war es mit den wortreichen Solidaritätsbekundungen vorbei, als der griechische David gegen den europäischen Goliath verlor. Seitdem werfen die Vertreter der reinen Lehre Syriza nicht minder wortreich Verrat vor.

Nun soll dieser angebliche Paria nach dem Willen der französischen Parti de Gauche des Linksnationalisten Jean-Luc Mélenchon auch noch aus der Europäischen Linken geschmissen werden – und der Wagenknecht-Flügel in der Linkspartei klatscht Beifall. Was für eine absurde Selbstgefälligkeit! Denn schließlich ist die Unfähigkeit der deutschen wie der französischen Linken, die Verhältnisse in ihren eigenen Ländern zum Tanzen zu bringen, entscheidend dafür verantwortlich, dass Syriza nichts anderes übrig geblieben ist, als zu versuchen, aus einer ausweglosen Situation das Beste machen.

Aber es passt natürlich: Wer sein Heil in antieuropäischem Linksnationalismus sucht, der hat mit internationaler Solidarität wenig am Hut. Eine ausstrahlungsfähige Linke, die tatsächlich die Machtfrage stellen kann, entsteht so jedoch nicht. Manchmal helfen ja Zahlen: Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr kam Mélenchons „Bewegung“ in Frankreich auf 11 Prozent und die Linkspartei mit ihrer Spitzenkandidatin Wagenknecht in Deutschland auf 9,2 Prozent. Zum Vergleich: Trotz aller Probleme und Fehler, die sie sicherlich auch gemacht hat, rangiert Syriza in den Umfragen in diesem Jahr zwischen 21,5 und 25 Prozent – obwohl die griechischen Demoskopen chronisch zuungunsten der Linken gewichten.

Statt Widersprüche auszuhalten und solidarisch aufzulösen, versuchen westeuropäische Linke mit ihrer arroganten Haltung gegenüber Syriza von der eigenen Ohnmacht abzulenken. Ein Trauerspiel.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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