Kommentar Europäische Ratingagentur: Komplett falscher Ansatz

Es ist eine Schrottidee, dass Europa eine eigene Ratingagentur aufziehen will. Sie sind schlicht überflüssig – egal wo sie sitzen. Bankpleiten verhindern können sie nicht.

Viele Großbanken haben bisher keine Lust, für eine europäische Ratingagentur zu zahlen. Damit dürfte sich dieses Projekt wohl erledigt haben. Und so selten es ist – diesmal kann man dem Geiz der Banken dankbar sein. Es ist eine Schrottidee, dass Europa eine eigene Ratingagentur aufziehen will.

Schon der Ansatz ist falsch: Zum Hauptproblem wird erklärt, dass bei den Ratingagenturen ein Oligopol herrscht, weil nur drei Agenturen den weltweiten Markt dominieren. Deswegen soll eine europäische Ratingagentur für mehr Wettbewerb sorgen. Dabei wird jedoch übersehen, dass Konkurrenz nichts nutzt, wenn das Geschäftsmodell sinnlos ist.

Ratingagenturen sollen bekanntlich das Risiko von Vermögensanlagen bewerten. Dies setzt allerdings voraus, dass sich ein Risiko verlässlich einschätzen lässt. Genau davon ist jedoch nicht auszugehen, wie die Finanzkrise gezeigt hat. Sobald sich eine Spekulationsblase aufpumpt, sind nicht nur die Investoren allzu optimistisch. Auch die Ratingagenturen neigen zum Herdenverhalten und vergeben die Bestnote „AAA“ für Papiere, die sich hinterher als Schrott herausstellen. Es nicht zu sehen, warum eine europäische Ratingagentur mit mehr Nüchternheit gesegnet sein sollte.

Ratingagenturen sind schlicht überflüssig – egal ob sie in den USA oder in Europa sitzen. Sie können keine Bankpleiten verhindern, dafür wäre eine andere Strategie nötig: Die Kreditinstitute müssten mehr Eigenkapital vorhalten, um auch große Verluste verkraften zu können. Bisher wehren sich die Banken dagegen jedoch rabiat. Doch vielleicht geraten sie jetzt endlich in die Defensive, nun, da sich für die Phantomalternative einer europäischen Ratingagentur keine Geldgeber zu finden scheinen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben