Kommentar Europas Ost-West-Konflikt: Trump als Friedensbringer

Europa braucht wieder eine effektive Rüstungskontrolle. Der US-Regierungswechsel könnte für die benötigte Wende sorgen.

Donald Trump steht vor einer US-Flagge und ballt die Hand zur Faust

Was interessieren ihn schon der Donbass oder Südossetien? Foto: ap

Donald Trump hat vielleicht noch nie von der OSZE gehört. Er weiß möglicherweise nicht, dass das Gipfeltreffen der Staatenkonferenz für Friedenssicherung gerade die Hamburger Innenstadt lahmlegte. Eventuell hat er auch noch nicht von der Initiative gehört, die der deutsche Außenminister dort einmal mehr vergebens bewarb. Dabei könnte Trump noch zum Glücksfall werden für diese Initiative, und damit für die OSZE.

Es geht um Rüstungskontrolle. Solange sie noch funktionierte, galt sie als Eckpfeiler der Organisation. Wer die Metapher wörtlich nimmt, versteht, was ihr Scheitern für die Sicherheit in Europa bedeutete – und warum Steinmeiers Werben für einen Neuanfang richtig ist.

Kern des Systems war der KSE-Vertrag von 1990. Er legte fest, dass die Nato und der zerfallende Warschauer Pakt jeweils nur eine bestimmte Zahl an Panzern, Raketen und Kampfjets nutzten. Gegenseitige Kontrollen sollten garantierten, dass sich beide Seiten an die Vereinbarung halten. Zunächst ging der Plan auf, der Kontinent rüstete ab.

Dann veränderte sich die europäische Landkarte. Ehemalige Pakt-Staaten wechselten in die Nato. Der Vertrag von 1990 zählte sie noch immer zum Osten, de facto gehörten sie jetzt aber zum Westen. Eine Reform sollte das System zehn Jahre später anpassen, aber daraus wurde nichts.

Steinmeiers Initiative

Der Westen wollte das Update erst ratifizieren, wenn Russland im Gegenzug seine Truppen aus abtrünnigen Gebieten in Georgien und Moldawien abzieht. Moskau wertete das als Vertragsbruch, suspendierte erst seine Teilnahme und stieg in der Ukrainekrise komplett aus dem KSE-Vertrag aus. Soweit die Kurzform.

Welche Seite Schuld war? Mit der Diskussion dieser Frage könnten wir den Rest dieser Aufgabe füllen. Machen wir aber nicht, die Antwort ist nämlich egal. Entscheidend ist das Ergebnis: Europa befindet sich heute im gefährlichsten Ost-West-Konflikt seit Ende des Kalten Kriegs und braucht eine effektive Rüstungskontrolle. Es gibt aber keine mehr.

Alexander Gauland galt als kluger Konservativer, mit dem Linke gern debattierten. Nun dirigiert er die AfD immer weiter nach rechts – und will so in den Bundestag. Warum er sich so entwickelt hat, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 10./11. Dezember 2016. Außerdem: In der deutschen Hackerszene tobt ein Kampf um Sex, Moral und Macht. Ein Netz-Krimi. Und: Eine Begegnung mit der marokkanisch-französischen Autorin Saphia Azzeddine. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Auch Steinmeiers Initiative macht wenig Hoffnung. Die Idee ist gut, entscheidende Akteure steigen aber nicht ein: Russland wartet ab, ob sich die Nato-Staaten auf den Vorschlag einlassen. Die USA stören sich noch immer an russischen Truppen in Georgien, Moldawien und jetzt auch der Ukraine. Und die baltischen Staaten fürchten, dass Obergrenzen mit Nato-Plänen kollidieren, ihnen zum Schutz vor Russland ein paar Bataillone zu schicken.

Hier kommt Trump ins Spiel. Seine Ankündigung, auf Russland zuzugehen, ist für die Sicherheit in Europa erst einmal nicht von Vorteil. Seine bisherigen Vorschläge lassen keine Annäherung zwischen Ost und West erwarten, sondern nur zwischen Kreml und Weißem Haus – ohne Rücksicht auf berechtigte Sorgen osteuropäischer Staaten. Dennoch könnte Trumps Kurs Steinmeiers Initiative nützen.

Trumps Isolationismus

Trump will auf seiner Seite des Atlantiks zwar kräftig aufrüsten, ein neues Kontrollsystem würde sich aber auf Europa beziehen und seine eigenen Pläne nicht einschränken. Sein Isolationismus spricht zudem dafür, dass die USA ihre Bedenken aufgeben: Was interessieren ihn schon der Donbass oder Südossetien?

Und die Balten? Unter Trump könnte die Garantie entfallen, dass die USA sie im Ernstfall gegen Russland verteidigen. Die europäischen Partner sind militärisch nicht in der Lage, den US-Beistand ganz zu ersetzen. Bleibt also nur eine Option: Die Gefahr eines russischen Angriffs nicht mehr durch Abschreckung reduzieren, sondern durch Kooperation.

Es müsste dann nur noch Moskau mitmachen. Und wenn Putin Gespräche ausschlägt? Dann würde zumindest nicht länger das Narrativ verfangen, Russland reagiere mit seinen Interventionen nur auf eine aggressive Nato-Einkreisungsstrategie. Es wäre ein Sieg gegen die russische Propaganda.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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