Kommentar Fachkräftemangel: Begrüßungsworte auf Kroatisch

Deutschland wird endlich als das vermeintliche Hochlohnland entmystifiziert - und die hiesige Angst vor dem Jobklau durch Migranten verringert sich. Zeit wurde es.

Der Jobmarkt in Deutschland erscheint überraschend stabil, vielerorts wird über einen Fachkräftemangel geklagt - und damit könnte sich das Verhältnis der hiesigen BürgerInnen zu Arbeitskräften aus dem Ausland verändern. Auf angenehme Weise.

Die Wende ist schon länger in Seniorenheimen zu erleben, in denen heute nolens volens ein internationaler Ton herrscht. Dort bringen Pflegerinnen den Patientinnen kroatische oder tschechische Begrüßungsworte bei. Und die Angehörigen sind dankbar, dass die Arbeitsmigrantinnen ihre gebrechlichen Eltern zu den niedrigen Löhnen und schlechten Bedingungen waschen und pflegen.

Erledigt hat sich auch die Angst vieler BürgerInnen vor den Jobsuchenden aus mittel- und osteuropäischen EU-Ländern, die seit dem 1. Mai jede Stelle hierzulande annehmen können. Es kamen überraschend wenige. Denn viele gut ausgebildete Ingenieure und Krankenschwestern waren längst auf die britische Insel oder nach Skandinavien abgewandert.

Niedrig qualifizierte InteressentInnen wiederum sprechen meist nicht ausreichend Deutsch und verlieren schnell die Illusionen über den angeblich gut zahlenden deutschen Arbeitsmarkt, wenn sie etwa in der Gastronomie mit Nettolöhnen von 800 Euro netto konfrontiert werden und davon noch Pendelei oder Umzug bezahlen sollen.

Wirtschaftsexperten hoffen nun auf die Zuwanderung qualifizierter Kräfte aus den westlichen EU-Ländern, die von der Finanzkrise betroffen sind. Die Goethe-Institute in Spanien, Portugal und Irland melden Andrang in den Deutschkursen. Die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen soll hierzulande erleichtert werden. Es stellt sich also Ernüchterung auf beiden Seiten ein: Deutschland wird in den Augen ausländischer Arbeitssuchender als das vermeintliche Hochlohnland entmystifiziert - und die hiesige Angst vor dem Jobklau durch Migranten verringert sich. Zeit wurde es.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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