Kommentar Familiennachzug: Gut geheuchelt, Grüne!

Die Regelung des Familiennachzugs wird ein Trauerspiel. Die Union ist kleinlich, die SPD ohne Spielraum. Und die Grünen hätten das auch abgenickt.

Eltern und Kinder sind von hinten fotografiert, die Eltern legen ihren Arm um die Kinder

Eine syrische Familie vor einem Asylwohnheim (Archiv) Foto: dpa

Die Abstimmung über den Fami­liennachzug von Flüchtlingen am Donnerstag im ­Bundestag droht in vielfacher Hinsicht ein Trau­er­spiel zu werden.

In den Hauptrollen: Union und SPD. Es ist kleinlich, wie die Führung der Union darauf beharrt, dass nicht mehr als exakt 1.000 Menschen im Monat ihren Familienangehörigen nachreisen dürfen, als drohe mit jeder einzelnen Familie der endgültige Untergang des Abendlandes. Kanzlerin Angela Merkel spielt dabei mit – aus Angst vor den eigenen Parteifreunden, die Angst vor der AfD bekommen haben oder innerlich schon immer gegen Merkels liberale Flüchtlingspolitik waren und jetzt beweisen wollen, dass die Union wieder ganz die Alte ist.

Die SPD wiederum versucht für die Flüchtlinge und ihre Familien herauszuholen, was ohne das Risiko von Neuwahlen herauszuholen ist. Das Ergebnis wirkt kümmerlich, die SPD sollte dafür aber nicht belächelt oder beschimpft werden. Aus Sicht der Familien, die nach dem Koalitionskompromiss zusammenkommen, ist auch eine kleine Härtefallregelung besser als keine.

Was das Schauspiel besonders tragisch macht: Der SPD bleibt keine realistische Alternative, um mehr Flüchtlingen zu helfen. Oder glaubt irgendjemand, dass dies passiert, wenn die SPD wegen des Familiennachzugs die Groko platzen lässt? Dass bei Neuwahlen oder Minderheitsregierungen eine Mehrheit im Bundestag zustande kommt, die liberaler agiert?

Dafür muss man großer Optimist sein. Womit wir bei den Grünen wären, die jetzt eigene Kinderbilder twittern und so tun, als kämen für sie Kompromisse nie infrage. Baerbock und Habeck fordern, dass „jedes Kind“ in Sicherheit gebracht werden solle. Claudia Roth kritisiert den „grausamen Vorschlag“, nur 1.000 Geflüchtete pro Monat mit ihren Familien zusammenzuführen und die „scheinheilige“ Härtefallregelung. Gut geheuchelt. Aber wer glaubt, dass eine Jamaika-Koalition nicht genauso harte Entscheidungen beschlossen hätte, weil das die Union, die FDP und die meisten Wähler wollen, wird mit den heiligen Grünen selig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.