Kommentar Filesharer-Urteil des BGH: Am besten selber Musizieren

Jedes Urteil zum Musiktausch im Netz erhöht die Unsicherheit bei Nutzern. Wie sollen die durchschauen, was erlaubt ist und was nicht?

Nach dieser Rechtssprechung kann man auch ohne Augenbinde den Durchblick verlieren. Foto: Imago/CTK Photo

Der Bundesgerichtshof hat saftige Strafen gegen drei Familien bestätigt, denen illegaler Tausch von Musikdateien vorgeworfen worden ist. Mit mehreren Tausend Euro schlägt das Delikt zu Buche, aber der Schaden ist, wie bei jedem neuen Urteil in Sachen Urheberrecht, viel größer.

Wer soll noch durchschauen, was Unrecht ist und was nicht? Das betrifft natürlich nicht den unmittelbaren Vorgang selber. Inzwischen dürfte weithin bekannt sein, dass kostenloser Down- und Upload von zum Beispiel aktuellen Chart-Hits im Regelfalle nicht so ohne Weiteres gestattet ist.

Über diesen Umstand kann man geteilter Meinung sein. Niemand aber kann sich darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass es so etwas wie ein Copyright gibt und dass dieses auch im Internet seine Anwendung findet.

Problematisch und viel weniger eindeutig ist hingegen die Frage, ab wann Nutzer sich auch ohne direkte Beteiligung an der Tat oder Kenntnis von derselben im Sinne des Gesetzes schuldig machen. Auch im aktuellen Urteil hat das Gericht keinen Zweifel an den Verfahren zur IP-Adressenermittlung bei vermuteten Urheberrechtsverletzungen. Dabei wurde in den vergangenen Jahren wiederholt auf zahlreiche Fehlerquellen allein bei der Übermittlung der Adressen hingewiesen.

Belehrung und Kontrolle

Außerdem hat der BGH kein Problem damit, an wesentlichen Punkten die Beweislast bei den Beschuldigten zu lassen. So wird der über auf zumindest fragwürdige Weise ermittelte Anschlussinhaber automatisch als der Schuldige geführt – außer es ist ihm möglich, eine Nutzung durch weitere Personen nachzuweisen.

Diese anderen Personen sollten aber keine minderjährigen Haushaltsangehörigen sein, denn die Haftung für deren unterstellte Vergehen lässt sich nur dann umgehen, wenn der oder die Verantwortliche glaubhaft machen kann, sie ausführlich über den ungesetzlichen Charakter von Musikdownloads belehrt zu haben. Für volljährige Kinder gilt das natürlich auch, aber die haften schließlich selber.

In jedem Fall ist auch dieses Urteil ein Geschenk an die auf Abmahnungen spezialisierten Anwälte und die von ihnen vertretene Musikindustrie, die noch immer darunter leidet, viel zu spät das Potenzial des Vertriebsweges Internet erkannt zu haben. Jetzt holt man sich die entgangenen Einnahmen eben über Bande zurück, egal von wem.

Solange dazu noch die sogenannte Störerhaftung in Kraft ist, die den offenen Wlan-Betrieb ganz generell erheblichen Risiken unterwirft, bleibt eigentlich nur noch eines: anonymer, freier und dezentral vernetzter Internetzugang für alle. Das hilft übrigens auch als Schutz vor der Vorratsdatenspeicherung.

Ansonsten: Selber musizieren! – Gema, bitte übernehmen Sie!

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Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Public key: https://pgp.mit.edu/pks/lookup?op=vindex&search=0xC1FF0214F07A5DF4

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