Kommentar Flüchtlingsprotest: Höchststrafe im Idyll

Die Verhältnisse im Flüchtlingsheim von Meinersen scheinen skandalös zu sein. Ein Skandal ist aber schon die Sache selbst: dass Menschen an solchen Orten kaserniert werden.

Die Verhältnisse im Flüchtlingsheim Meinersen scheinen skandalös zu sein. Ein Skandal, auch wenn wir uns langsam daran gewöhnen, ist allerdings schon die Sache selbst: ein Flüchtlingsheim in Meinersen.

Meinersen ist klein - so klein, dass man nicht über die Straße laufen kann, ohne zu grüßen. Ringsum breiten sich Wiesen und Wald, und durchs Städtchen selbst fließt die Ocker, vorbei an einer alten Mühle, vorbei auch an einem Künstlerhaus, in dem begabte Stipendiaten aus dem In- und Ausland in ländlicher Abgeschiedenheit ein Jahr lang werkeln und pinseln können.

Meinersen: Das ist ein Ort, aber zwei Welten, die sich spiegelbildlich zueinander verhalten: die Welt der Künstler und die Welt der Flüchtlinge. Der eine soll sich selbst entfalten, der andere wird radikal beschränkt. Dem einen wird Tätigsein ermöglicht, dem anderen totale Untätigkeit aufgezwungen. Dem einen ist das Land ringsum eine poetische Weite, die ihn inspiriert, dem anderen ist sie eine Mauer, an der sich seine Augen stumpf sehen. Meinersen ist für den Künstler ein Idyll. Für den Flüchtling ist Meinersen eine Höchststrafe - die Fortsetzung des Krisengebiets, dem er einst entfloh, mit anderen Mitteln. Das Schlimme aber ist: Meinersen ist überall.

Es gibt keinen Grund, Künstler anders zu behandeln als Flüchtlinge. Meinersen gehört abgeschafft.

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