Kommentar Flutkatastrophe: Routine reicht nicht

Für Hunger und Unterernährung, die erst jetzt richtig beginnen, werden die Menschen in Pakistan im Zweifelsfall Indien und die USA verantwortlich machen.

Jetzt kommt bald der Moment, in dem sich entscheidet, ob die westliche Welt den Pakistanern in der größten Katastrophe ihrer Landesgeschichte nur den kleinen Finger oder die ganze Hand reicht. Ob man nur das Nötigste für das erste Überleben schickt oder dem Land auch gezielt beim Wiederaufbau hilft.

Bisher können die westlichen Helfer, die zumeist die Einsätze der Organisationen der Vereinten Nationen, des Roten Kreuzes und vieler NGOs leiten, von sich allenfalls behaupten, ihre Pflicht zu tun. Sie ignorierten die Not der Flutopfer in den ersten Wochen der Katastrophe genauso lange wie die pakistanische Regierung. Dann kam das Aufwachen, die Einsicht in die "nie da gewesene" (UN-Generalsekretät Ban Ki Moon) Natur der Flut. Zumindest die Experten schlugen nun Alarm. Langsam folgte die große Politik in aller Welt, zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren lobenswerten Spendenaufrufen im ZDF und in der Bild-Zeitung. Besser spät als gar nicht.

Doch die Dimension der Herausforderung wird in der westlichen Öffentlichkeit auch heute noch nicht erfasst. Die pakistanische Bevölkerung ist zutiefst verängstigt und verärgert. Wo Hilfe bisher kam, kam sie immer spät, nie für alle und nie auf gut organisiertem, Ruhe und Vertrauen stiftendem Wege.

Im Jahr 2005 schafften Hubschraubereinsätze der USA nach dem großen Erdbeben in Kaschmir bei vielen Pakistanern neuen Glauben in ein Bündnis mit dem Westen. Nichts dergleichen ist bisher geschehen, dazu ist die Katastrophe immer noch zu groß.

Betroffen ist nicht Haiti, sondern der Staat mit der sechstgrößten Bevölkerung der Welt. Hunger und Unterernährung beginnen erst jetzt. Für die Übel der Welt machen die Pakistaner im Zweifelsfall Indien und die Vereinigten Staaten von Amerika verantwortlich. Um das zu ändern, bedarf es aber viel mehr als des bisherigen Routineeinsatzes der internationalen Helferbrigaden.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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