Kommentar Frauenfußball: Lästige Sehgewohnheiten

Europas Frauenfußball bewegt sich auf hohem Niveau. Zwar bleibt er langsamer als der Männerfußball – aber wer sich darauf einlässt, kann viel entdecken.

Ungoldener Goldregen: Ein schönes Turnier ist zu Ende Bild: dpa

Was für eine Mannschaft! Gerannt, gekämpft, zwei Elfmeter gehalten, ein Kontertor geschossen: Die Frauen der deutschen Fußballnationalmannschaft haben die Fußballeuropameisterschaft gewonnen. Und sie haben schönen Fußball gespielt, rechtzeitig im Halbfinale und im Endspiel.

Ähnlich wie Joachim Löw den Männern hat Silvia Neid ihren Frauen eine Philosophie des offensiven Spiels vermittelt. Ganz auf der Höhe der Zeit, versuchen die DFB-Kickerinnen durch frühes Attackieren schnell an den Ball zu kommen und mit präzisem, direktem Passspiel zum Abschluss zu kommen.

Am elegantesten bei dieser EM spielten aber die Französinnen. Leider scheiterte der Topfavorit im Viertelfinale an einer Mauertaktik Dänemarks und an der eigenen Abschlussschwäche. Auch Italien und Spanien pflegen einen technisch anspruchsvollen Kombinationsfußball, waren aber athletisch unterlegen. Der schwedische Offensivfußball begeisterte, bis die Gastgeberinnen im Halbfinale gegen die Deutschen ausschieden.

Tröstlich für die schwedischen wie die französischen Fußballerinnen könnte sein, dass mit den deutschen Frauen bei der EM immerhin die Idee des schönen Spiels gesiegt hat – über einen eher defensiv ausgerichteten Kampffußball, wie ihn die Norwegerinnen bevorzugen, auch wenn sie im Finale munter mitspielten.

Bei der WM in zwei Jahren wird sich zeigen, ob der Abstand zur absoluten Weltspitze, zu den Topteams der USA und Japans kleiner geworden ist. Der zum Männerfußball ist es nicht. Die athletischen Voraussetzungen sind zu ungleich und der Grad der Professionalisierung ist immer noch um ein Vielfaches höher.

Gleichwohl ist Frauenfußball kein anderer Sport, auch hier muss das Runde in das Eckige. Aber wenn man sich als Fernsehzuschauer auf ein anderes Tempo und technisches Niveau eingroovt, kann man auch hier Welten erkennen zwischen Spitzenfußball à la Frankreich, Deutschland und Schweden und der arg limitierten Kickerei der Isländerinnen, Finninnen oder Russinnen.

Um die Sehgewohnheit anzupassen, braucht es allerdings ein paar Spiele. Und hier tut uns das Fernsehen keinen Gefallen, wenn es selbst in der Sommerpause allerorten Männerfußball ins Programm drückt. Geradezu blamiert hat sich das ZDF, als es zum Halbfinale zwischen Schweden und Deutschland erst unmittelbar vor Anpfiff umschaltete – von einem belanglosen Sommerkick zwischen Bayern München und dem FC Barcelona. Fußball auf Topniveau boten uns dann die Frauen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.