Kommentar Friedrich in den USA: Von den Zuständigen keine Spur

Der Innenminister opfert sich als nützlicher Idiot. Merkel wird es freuen. Denn ihr Kanzleramt ist verantwortlich für den BND und die Geheimdienstkoordination.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): Kommt mit nichts in den Händen zurück aus Washington. Bild: reuters

Seit dem Wochenende hat die Netzwelt ihren neuen Lieblingsdeppen gefunden: Auf Twitter und in Blogs wird lustvoll über Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hergezogen – weil der sich bei seinem Kurztrip in die USA von den amerikanischen Freunden für dumm habe verkaufen lassen und weil er vom Internet schon gar nichts verstehe.

Der CSU-Mann aus Franken steht als Prügelknabe da. Das ist einerseits inhaltlich nachvollziehbar und doch bemerkenswert: Denn Friedrich ist als Innenminister nur für die beim Verfassungsschutz angesiedelte Spionageabwehr zuständig, nicht jedoch für den Bundesnachrichtendienst und die Geheimdienstkoordination.

Beides gehört zu den Aufgaben des Kanzleramts. Damit müsste die brisante Angelegenheit also eigentlich Chefsache sein. Angela Merkel aber ist, ebenso wie der für die Geheimdienstarbeit zuständige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, in der NSA-Affäre bislang kaum in Erscheinung getreten.

Oder hat jemand in den vergangenen Wochen einen erhellenden Beitrag Pofallas zur Rechtmäßigkeit der millionenfachen Auswertung von Telekommunikationsdaten deutscher Bürger durch die US-Geheimdienste vernommen?

Unlängst nach seiner geheimen Befragung durch das Parlamentarische Kontrollgremium im Bundestag ließ sich Merkels Mann für die Geheimdienste zu ein paar gestelzten Grundsatzbemerkungen vor laufenden Kameras hinreißen, bevor er eilig wieder ins Kanzleramt abtauchte.

Aus Sicht der CDU-Wahlkampfstrategen ist diese Rollenverteilung nur zu vernünftig. Denn im beginnenden Bundestagswahlkampf ist die Spähaffäre bislang das einzige Thema mit größerem Risikopotenzial für Merkel.

Sie muss also versuchen, die öffentliche Empörung kleinzuhalten, und das Thema möglichst weit weg vom Kanzleramt und ihrer Person. Ja, Merkel und ihren Wahlkampfstrategen könnte zurzeit kaum Besseres passieren als eine Öffentlichkeit, die sich auf den Innenminister einschießt.

Friedrich, der auch schon das Auffliegen der rechtsextremen NSU-Terrorzelle samt einer Unzahl von Verfassungsschutzpannen weggesteckt hat, ist in dieser Geheimdienstaffäre der nützliche Idiot der Regierung.

Er lenkt von den Verantwortlichen ab, die im Kanzleramt sitzen und hoffen müssen, dass sich niemand mehr über die NSA aufregen mag, wenn Mitte August Merkels große Wahlkampftournee startet.

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Jahrgang 1974, ist Parlamentskorrespondentin der taz. Zuvor hat sie als Reporterin und Inlandsredakteurin für die Zeitung gearbeitet. Sie war Stipendiatin des Netzwerks Recherche und erhielt für ihre Recherchen über Rechtsextremismus unter anderem den Theodor-Wolff-Preis. Schwerpunkte ihrer Berichterstattung sind die Piratenpartei, die CDU und das Thema Innere Sicherheit. Autorin der Sachbücher „Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland“ und „Piratenbraut. Meine Erlebnisse in der wildesten Partei Deutschlands“.

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