Kommentar G8 bleibt: Zwei Welten

Eltern muss deutlich werden, dass die Stadtteilschule eine gute Alternative ist. Ein Schritt wäre, die Empfehlung fürs Gymnasium abzuschaffen.

Das Scheitern der G 9-Initiative ist eine gute Nachricht. Das Zugeständnis an eine Elterngruppe, ein neunjähriges Abitur am Gymnasium anzubieten, hätte im gegenwärtigen System eine fatale Signalwirkung: Seht her, das Angebot der Stadtteilschulen ist nicht gut genug für diese Kinder.

Für diese Haltung gibt es keine Mehrheit in dieser Stadt, und das ist gut so. Schon heute gehen die Lebenswirklichkeiten viel zu weit auseinander. Die Abspaltung von Schulen für Kinder, die kaum eine berufliche Perspektive haben, birgt sozialen Sprengstoff. Freilich liegt dies nicht nur am Schulsystem, sondern auch am Auseinanderdriften der Stadt an sich.

Und doch gibt es auch die Welt dieser Eltern, die vielleicht in ihrem Viertel nur Gymnasien haben und diesen Widerspruch gar nicht sehen. Die sich für ihre Kinder eine längere Lernzeit am Gymnasium wünschen, so wie sie es kennen. Dieses Anliegen an sich ist nachvollziehbar. Es wurde viel Druck aufgebaut, der im Privaten landet. Das G 8 bedeutet eine Beschleunigung der Biografien. Kinder verlassen früher den Schonraum Schule, müssen sich früher für einen Berufsweg entscheiden. Da bleibt keine Zeit für freakige Findungsphasen.

Dieser Druck wirkt individuell auf die Familien und erklärt vielleicht, warum es die Welt der Verbände und Parteien und die der Unterschriftensammlerinnen gibt.

Die Lösung wäre eigentlich die Schule für alle, die jedem Kind so viel Lernzeit lässt, wie es individuell braucht. Und weil die Schule für alle derzeit politisch keine Mehrheit hat, gilt es, die Stadtteilschule zu stärken. Eltern muss deutlich werden, dass diese eine gute Alternative ist, und mitnichten die zweite Wahl.

Ein Anfang wäre es, wenn Hamburg aufhört, die Kinder in Klasse vier in zwei Gruppen zu spalten: jene, die fürs Gymnasium empfohlen werden, und jene, denen man die Stadtteilschule rät. Die SPD-regierten Nachbarländer haben schon darauf verzichtet. Die Grünen in Hamburg haben dies auch schon diverse Male beantragt. Jetzt, wo die G 9-Initiative gescheitert ist, ist es vielleicht auch für die Hamburger SPD Zeit, sich was zu trauen.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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