Kommentar Gay Pride Vietnam: Hanois rosa Frühling

Die miese Menschenrechtslage in Vietnam wird durch einen liberalen Umgang mit Homosexuellen verdeckt. Aber dieser politische Schachzug hat einen Hintergrund.

Daumen hoch: Regenbogenflagge auf der Viet Pride Bild: reuters

Bisher sind in Vietnam alle Hoffnungen auf demokratische Reformen jenseits der politischen Folgen der Wirtschaftsliberalisierung bitter enttäuscht worden. Trotz inzwischen einiger Nicht-KP-Mitglieder in der Nationalversammlung besteht das Einparteiensystem fort. Die KP monopolisiert und zensiert weiterhin die Medien.

Kritische Blogger werden verstärkt zu harten Haftstrafen verurteilt. Zuletzt wurde sogar angekündigt, dass die Bürger ab 1. September in sozialen Medien nur noch über private Dinge sprechen und auf keine Zeitungsartikel verweisen oder sie gar kommentieren dürfen. Die von Wirtschafts- und Korruptionsskandalen geplagte KP-Führung hat offensichtlich Angst vor ihrem Volk, das sich mit zunehmender Modernisierung politisch immer unverblümter äußert.

Erstaunlicherweise sehen Vietnams Kader jetzt ausgerechnet bei Rosa nicht mehr rot. Sie erlauben erneut eine Gay Parade und setzen sogar selbst die Homoehe auf die Agenda des nächsten Plenums der Nationalversammlung. Die Homoehe ist damit zwar noch nicht gültig. Aber Vietnam folgt nicht nur der langsamen Enttabuisierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen in der Region, sondern setzt sich erfreulicherweise an die Spitze des Wandels.

Der Wermutstropfen: Vietnams Führung nutzt die Diskussion größerer Rechte für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle für ein liberales Image, um so Kritik an der Unterdrückung demokratischer Rechte abzumildern. Das passt auch gerade sehr gut. Vietnam bewirbt sich um einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat, was bedeutet, dass dann zwangsläufig auch die eigene Politik im Rampenlicht steht.

Ohne große Kosten für das Regime kann Hanoi mit seinem rosa Frühling auf liberal machen, und dafür in machtpolitisch relevanteren Menschenrechtsfragen hart bleiben.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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