Kommentar Gedenken in der Türkei: Missbrauchter Mord

Seit Jahren hat es keinen Aufmarsch von dieser Größe gegeben. Und dies nur, um den "Vorwurf" des Völkermordes und die "armenischen Lügen" zurückzuweisen.

Gedenktage haben neben dem Gedenken an die Opfer auch immer das Potenzial, politisch missbraucht zu werden. Ein eindrückliches Beispiel dafür lieferten gestern mehr als zehntausend Demonstranten in Istanbul, die vorgeblich der Opfer eines Massakers an Aseris in Berg-Karabach gedenken wollten, tatsächlich jedoch gekommen waren, um lautstark gegen die armenischen Völkermord-Vorwürfe zu protestieren.

Die gestrige Kundgebung in Istanbul, zu der sich die gesamte türkische Rechte, aber auch Gewerkschaftler, Islamisten und jede Menge Jugendliche aus den Armenvierteln der Stadt versammelt hatten, waren zuerst einmal eine Reaktion auf den französischen Vorstoß, die Leugnung des armenischen Völkermordes unter Strafe zu stellen.

Es zeigt, wie sehr Aktionen wie die in Frankreich geeignet sind, die selbstkritische Aufarbeitung der Geschichte zu torpedieren. Seit Jahren hat es keinen Aufmarsch von dieser Größe gegeben, um den "Vorwurf" des Völkermordes und die "armenischen Lügen" zurückzuweisen.

Dank Sarkozy sind die Schatten der Vergangenheit jetzt zurück. Zwanzig Jahre lang hat das Massaker in Hocali, bei dem mehr als 600 Zivilisten von armenischen Freischärlern 1992 in Karabach ermordet wurden, kaum eine Rolle gespielt. Plötzlich fordern Tausende Demonstranten "Gerechtigkeit für die Opfer von Hocali".

Sicher, die Annäherung zwischen der Türkei und Armenien stockt seit langem, aber die zivilgesellschaftliche Debatte in der Türkei hatte eine eindeutig positive Richtung. Das verlogene Auftrumpfen in Frankreich bringt die Türkentümler jetzt wieder in die Offensive. Das Verhalten des offiziellen Armenien tut ein Übriges. Auch in Jerewan und der armenischen Diaspora will man nicht zugeben, dass das Massaker in Hocali (armenisch Khojalu) durch nichts zu rechtfertigen war.

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