Kommentar Gentrifizierung St. Georg: Mit Polizei zum Yuppie-Idyll

Prostitution ist in St. Georg heute nicht verbotener als vor fünf Jahren. Deswegen gibt es auch keinen Grund, an der Bußgeldschraube zu drehen.

Anwohnerbeschwerden führt die Polizei als Grund dafür an, dass sie die Sexarbeiterinnen in St. Georg nun verstärkt zur Kasse bittet. Das ist sogar plausibel: St. Georg hat in den letzten 20 Jahren eine beispiellose Aufwertung erlebt. Hunderte Wohnungen sind in Eigentum umgewandelt worden. Wohl kein Stadtteil hat so einen gründlichen Bevölkerungsaustausch erlebt. Nur eine Frage der Zeit, wann die neuen Herren feststellen, dass das pittoreske Lokalkolorit auch seine unangenehmen Seiten hat.

Wer eine halbe Million für seine Wohnung hingelegt hat, ist eben nicht scharf darauf, auf dem Heimweg von Junkies angekobert zu werden, die sich kaum auf den Beinen halten können. Und wer wegen der tollen Kneipenszene hergezogen ist, möchte beim Feierabendbier nicht vom Freierverkehr gestört werden. Alles verständlich.

Nur, dass die Polizei bereit steht, um den Yuppies das erträumte Idyll zu verschaffen, kann nicht angehen. Prostitution ist in St. Georg heute nicht verbotener als vor fünf Jahren. Deswegen gibt es auch keinen Grund, an der Bußgeldschraube zu drehen. Warum die Polizei sich dazu ermächtigt fühlt, gegen den politischen Kurs quer zu schießen? Vielleicht gab es einen Wink aus dem Bezirksamt. Oder sogar aus der Innenbehörde, was Knatsch in der Koalition geben müsste. Oder es wackelt einfach der Schwanz mit dem Hund.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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