Kommentar Geplante Unterhaltsreform: Ungerechter Shitstorm

Familienministerin Giffey will den Unterhalt reformieren und kriegt dafür viel Kritik. Dabei ist ihre Idee richtig. Sie reicht nur allein noch nicht.

Franziska Giffey als Müllfrau

Franziska Giffey muss gerade mit viel Müll umgehen Foto: dpa

Familienministerin Franziska Giffey trifft wegen ihrer geplanten Unterhaltsreform ein feministischer Shitstorm. Die Sozialdemokratin findet es falsch, dass ein Elternteil, meist der Vater, „den vollen Unterhalt zahlen muss, auch wenn das Kind viel Zeit bei ihm verbringt und sogar ein eigenes Zimmer bei ihm hat“. Es gebe viel schlimmere Ungerechtigkeiten, tönt es ihr nun entgegen. Giffey, sagt etwa die Grüne Katharina Schulze, solle sich lieber darum kümmern, dass der Unterhalt von männlichen Drückebergern auch eingetrieben werde.

Das aber ist kein Argument, sondern Whataboutism, um mal dieses neumodische Wort zu verwenden. Giffeys Anliegen wird mit Verweis auf größere Ungerechtigkeiten lächerlich gemacht. Dazu lässt sich sagen: Ja, es ist ein Skandal, dass viele Männer keinen Unterhalt zahlen – und der Staat sie nicht ernsthaft sanktioniert. Ja, das reaktionäre Ehegattensplitting gehört abgeschafft.

Und ja, es wäre höchste Zeit für eine Kindergrundsicherung, die Alleinerziehenden hilft. Aber erstens regiert die SPD nicht allein, die Union verhindert die wesentlichen Fortschritte. Und zweitens ändert all das nichts daran, dass Giffey einen Punkt hat.

Die Familienministerin sollte das eine tun, aber das viele andere, das nötig wäre, nicht lassen

Es gibt heute viele (auch schlecht verdienende) Männer, die sich mit ihren Frauen die Erwerbs- und Familienarbeit teilen – und die sich nach einer Trennung selbstverständlich um ihr Kind kümmern wollen. Es ist deshalb nicht mehr zeitgemäß, wenn ein Elternteil den vollen Unterhalt zahlt, obwohl die Betreuung des Kindes 40:60 aufgeteilt ist. Selbstverständlich kann man deshalb über Gesetzesänderungen nachdenken, die das Unterhaltsrecht an die Vielfalt heutiger Lebensmodelle anpassen.

Gegen die Abschaffung einer ungerechten Praxis zu sein, weil vor allem Männer profitieren würden, ist kein seriöses Konzept, auch für Feministinnen nicht. Der Jetzt-Zustand bestraft ja ausgerechnet die modernen und progressiven Männer, ohne die die feministische Revolution nicht zu machen ist. Polemik gegen Giffey ist deshalb falsch. Die Familienministerin sollte das eine tun, aber das viele andere, das nötig wäre, nicht lassen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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