Kommentar Glasflaschenverbot: Orwell auf der Reeperbahn

Der Ordnungswahn löst keine Probleme: Wer prügeln will, findet stets auch eine Waffe. Vielleicht würde ein Alkoholverbot helfen - aber das ist sogar dem Innensenator zu heikel.

Die Große Freiheit ist das nicht gerade, was Besucher der angeblich sündigsten Meile der Welt künftig droht: Schweizermesser oder Pfefferspray im Rucksack - verboten! Glasflasche in der Hand - weg damit! Und dazu wird jeder Schritt dokumentiert von einer der zahlreichen Videokameras - damit alle sich ganz sicher amüsieren. Die geile Meile als Bühne Orwellscher Überwachungs-Phantasien.

Der Regelungswahn auf der Hamburger Reeperbahn birgt drei Konsequenzen: Wo der Einsatz von Messern und Glasflaschen reduziert wird, werden Stahlklingen und Flaschenhälse sicher seltener bei spontanen Auseinandersetzungen zum Einsatz kommen. Fraglich ist aber, ob der, der sich alkoholumnebelt prügeln will, nicht immer die Waffe findet, die er braucht - ob Stuhlbein oder Billardkugel.

Zweitens: Ohne konsequente Kontrollen bleibt das Flaschenverbot ein handzahmer Tiger. Doch solche Kontrollen binden unendlich viel Personal.

Zum Dritten bergen solche Verbote die Gefahr einer kaum zu kontrollierenden Willkür auf Seiten der Polizei: Die Waffen- und Glas-Regelungen sind ein hervorragender Vorwand für Personenkontrollen, Durchsuchungen, Platzverweise.

Gewalt auf dem Kiez ließe sich - nüchtern betrachtet - durch weniger Alkohol verhindern. Vor einem Promille-Verbot aber schreckt selbst der so stark sich gebende Innensenator zurück.

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