Kommentar Griechenland: Spaltmittel Vitamin B

Die Gewerkschaften protestieren gegen Entlassungen im Öffentlichen Dienst. Doch nicht jeder teilt die Empörung, denn die Jobs dort werden meist über Beziehungen verteilt.

Wieder einmal protestieren die griechischen Gewerkschaften gegen Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst. Vor allem die Entlassungen im Kommunalbereich sorgen für Entrüstung.

Das Land ist in dieser Frage allerdings gespalten: Die einen befürchten einen Präzedenzfall, der verhindert werden muss; die anderen glauben, dass viele Arbeitnehmer bei Kommunalbehörden nicht aufgrund ihrer Qualifikation, sondern über Parteibeziehungen eingestellt wurden und somit keinen Kündigungsschutz verdienen.

In einem Land, wo Polit-Dynastien traditionell das Sagen haben, könnte die Verschlankungspolitik im öffentlichen Dienst möglicherweise sogar für ein Familiendrama sorgen: In Athen etwa verdanken viele Stadtbedienstete ihren Job der ehemaligen konservativen Außenministerin (und Tochter eines Ex-Premiers) Dora Bakoyannis, die in ihrer Amtszeit als Bürgermeisterin die Stadtverwaltung aufblähen ließ, wie viele ihrer Vorgänger auch.

Soll nun ihr Bruder, der Verwaltungsminister Kyriakos Mitsotakis, Leute entlassen, die Bakoyannis eingestellt hat? Andererseits: Es wäre ein mutiges Zeichen, wenn man den Griechen derart deutlich demonstriert, dass Qualifikationen wichtiger als Beziehungen sind.

Wahrscheinlich ist das nicht, wie auch Evangelos Venizelos vom sozialistischen Koalitionspartner demonstriert: Neulich kürte er seinen innerparteilichen Gegner Christos Papoutsis zum Vertreter Griechenlands bei der Weltbank - und lobte ihn dadurch nach Washington weg. Ausgerechnet Papoutsis, der als EU-Kommissar und wenige Jahre später als griechischer Schifffahrtsminister durch Untätigkeit auffiel.

Da macht sich der Mann von der Straße seine Gedanken: Wenn der durch Beziehungen 10.000 Euro in Washington kriegt, dann darf ich auch mal 800 Euro bei der Stadt Athen kassieren. Ob er Unrecht hat?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.