Kommentar Griechenland: Wer soll das beschließen?

Europa befindet sich im Dilemma: Um die Drachme in Griechenland einzuführen, bräuchte es dort eine handlungsfähige Regierung. Gäbe es diese, könnte Griechenland im Euro bleiben.

Nun ist es amtlich: Die Eurozone bereitet sich darauf vor, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden könnte. Wie in Brüssel zugegeben wurde, gibt es in den Ministerien längst Arbeitsgruppen, die abzuschätzen versuchen, was wohl passiert, wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt. Manche Beobachter sehen darin eine Zäsur, einen fertigen Beschluss der Eurozone. Nach dem Motto: Wo Arbeitsgruppen existieren, da werden Fakten geschaffen.

Doch damit wird diesen Arbeitsgruppen zu viel Bedeutung eingeräumt. Denn das Szenario ist nicht neu, dass Griechenland den Euro verlassen könnte. Mit dieser Option befassen sich die Europäer bereits seit zwei Jahren – seit deutlich wurde, dass es in der griechischen Gesellschaft keinerlei Konsens gibt, wie es eigentlich weitergehen soll. Neu ist nur die Gefühlslage: Früher hielten es fast alle Beobachter für eher unwahrscheinlich, dass Griechenland den Euro verlässt. Inzwischen rechnen sehr viele fest damit.

Bei dieser Prognose wird jedoch oft übersehen, dass sie von einer sehr schwierigen Voraussetzung ausgeht: Irgendwer müsste irgendwann entscheiden, dass Griechenland nicht mehr zur Eurozone gehört. Aber wer sollte das sein? Die Griechen wollen im Euro bleiben. Also müssten die restlichen Eurostaaten beschließen, dass sie keine Lust mehr auf die Griechen haben.

Dies ist rechtlich unmöglich, weil in den EU-Verträgen nicht vorgesehen – und auch politisch schwierig. Denn man müsste den Griechen ja einen klaren Vertragsbruch vorwerfen. Verträge kann aber nur eine Regierung brechen. Es ist jedoch nicht ausgemacht, dass es nach der nächsten Wahl in Griechenland zu einer stabilen Koalition kommt.

Europa befindet sich in einem Dilemma: Um die Drachme in Griechenland einzuführen, bräuchte es dort eine handlungsfähige Regierung. Doch wenn es eine solche Regierung gäbe, könnte Griechenland auch im Euro bleiben.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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