Kommentar Griechischer Hilfsantrag: Schäuble überreizt sein Blatt

Der Finanzminister sagt Nein zu den Griechen. Damit riskiert Berlin die vielleicht letzte Chance auf eine Einigung im Schuldenstreit.

Ist jetzt der größte Bremser: Wolfgang Schäuble. Bild: dpa

Finanzminister Wolfgang Schäuble ist auf dem besten Wege, sich zum Buhmann der Eurozone zu machen. Mit seinem harschen Nein zum Hilfsantrag der neuen griechischen Regierung zerschießt Schäuble die vielleicht letzte Chance auf eine Einigung im Schuldendrama. Den Wählerinnen und Wählern der Alternative für Deutschland mag er damit gefallen; bei den EU-Politikern in Brüssel hat er sich viele Sympathien verscherzt.

In tagelanger Überzeugungsarbeit war es Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gelungen, Griechenland auf den traurigen Boden der Tatsachen zurückzuholen. Die Verlängerung des ungeliebten EU-Hilfsprogramms war angesichts der harten deutschen Haltung der einzige Weg, den drohenden Bruch und damit den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro zu vermeiden.

Der Antrag, den der griechische Finanzminister Janis Varoufakis nach tagelangem Zögern in Brüssel eingereicht hat, trägt dieser Tatsache Rechnung. Ohne es zuzugeben, hat Varoufakis damit sowohl die Kontrolle durch die Troika als auch die Auflagen aus Brüssel anerkannt. Gleichzeitig hält sich der gerissene Pokerspieler aus Athen aber auch die Option auf einen „New Deal“ offen, der im kommenden Sommer ausgehandelt werden soll.

Es ist also für beide Seiten etwas drin, wie bei jedem vernünftigen Kompromiss. Die Troika heißt nicht mehr Troika, arbeitet aber weiter. Das Memorandum mit den verhassten Auflagen heißt nicht mehr Memorandum, gilt aber weiter. Athen verpflichtet sich zu Sparkurs und Schuldendienst, bekommt aber gleichzeitig ein wenig Luft zum Atmen – und ein wenig Geld für Wahlgeschenke.

Von einem „positiven Signal“ sprach Juncker, der den Kompromiss gemeinsam mit Dijsselbloem zustande gebracht hat. Tatsächlich bildet er eine tragfähige Grundlage für Verhandlungen in der Eurogruppe. Wenn nicht alles täuscht, tragen ihn auch die anderen beteiligten Institutionen (ehemals: die Troika) mit. Nur Schäuble sagt Nein – und überreizt damit sein Blatt.

Welche Motive stecken dahinter? Angesichts der dürren Erklärung aus dem Hause Schäuble lässt sich darüber nur spekulieren. Offenbar geht es nicht bloß um Griechenland, sondern um die Macht in Europa – und um die Fortsetzung des neoliberalen Kurses in anderen Krisenstaaten wie Italien oder Frankreich. Schäuble nutzt sein Veto, um ganz Europa auf deutschen Kurs zu zwingen. Damit ist er nun der größte Bremser – denn Varoufakis hat sich bewegt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.