Kommentar Große Koalition: Sozialdemokraten wählen Merkel

Die Zustimmung der SPD-Basis war enorm, sie hat Gabriel in die Große Koalition geschickt. Der kann nun kaum laufen vor Stolz. Doch sein Sieg hilft auch der CDU.

Kommt sie mit einem starken Sigmar Gabriel neben sich klar? Bild: ap

So, das hätten wir hinter uns. Ein halbes Jahr Stillstand hat sich der Parlamentarismus in diesem Land geleistet. Sagenhafte sechs Monate sind verstrichen, seit die Parlamentarier sich zum letzten Mal planmäßig im Bundestag eingefunden haben, um ihrer regulären Arbeit nachzugehen.

Sechs Monate, in denen den Wählerinnen und Wählern eine Art Politiksimulation zugemutet wurde. Wahlkampf, Wahl, Sondierung. Schließlich noch die ausufernde Selbstfindungsphase der Sozialdemokraten mit Parteikonvent, Koalitionsverhandlungen, Regionalkonferenzen, Mitgliedervotum – und einer am Ende hohen Zustimmung der Genossinnen und Genossen zu Schwarz-Rot.

Nun muss das künftige Regierungsbündnis zeigen, was es kann. An diesem Montag werden Merkel, Seehofer und Gabriel den endgültigen Koalitionsvertrag unterzeichnen. Am Dienstag werden Merkel und ihre MinisterInnen vereidigt. Danach beginnt der Kampf darum, aus den gemeinsam formulierten Zielen konkrete Politik zu machen. Mit ihrer übermächtigen Großen Koalition und der Macht der Sozialdemokraten im Bundesrat kann dieses Regierungsbündnis in den nun noch dreieinhalb verbleibenden Jahren viel bewegen. Es werden bittere Jahre für die geschwächte Opposition sein.

Wer wird der oder die Stärkere sein: die Kanzlerin oder ihr Vizekanzler? Sigmar Gabriel, der nach dem 75-Prozent-Votum seiner Basis vor Kraft kaum laufen kann, wird sich als künftiger Kanzlerkandidat zu profilieren suchen. Dabei ist gut für ihn, dass er mit dem neu zugeschnittenen Wirtschafts- und Energieministerium eines der wichtigsten Projekte zu stemmen hat.

Und Merkel? Sie wird umdenken müssen. Sigmar Gabriel ist ein anderes Kaliber als der höfliche Philipp Rösler. Mit diesem geltungsbedürftigen Sozi an ihrer Seite, der sie 2017 beerben möchte, wird es von nun an nicht mehr reichen, Themen auszusitzen. Gut möglich, dass ihr da gerade das hohe SPD-Zustimmungsergebnis zu Schwarz-Rot zupass kommt. Bedeuten 75 Prozent nicht auch, dass die Sozialdemokraten dieses Landes ihr als Kanzlerin zustimmen?

Hohe Zustimmung bedeutet reibungslose Gefolgschaft. Insofern – nur insofern – wäre ein schwächeres Ergebnis vielleicht besser gewesen für Gabriel. Ein Vizekanzler, den Dreiviertel aller Abstimmenden in die Große Koalition schicken, wird kaum mit einer Kündigung dieser Zweckehe drohen können.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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