Kommentar Hamburger Koalitionsbruch: Grüne Chuzpe

Die Wähler nehmen es den Grünen nicht übel, dass sie die Hamburger Koalition verlassen haben. Doch es gibt ein Problem: Mit den Roten wird das Regieren nicht einfacher.

Die Grünen widerlegen derzeit eine alte Politweisheit. Die GAL in Hamburg kündigt unvermittelt die Koalition mit der CDU auf. Die Wählerinnen und Wähler aber nehmen der Partei nicht übel, dass sie das Bündnis verlässt, für dessen Fortbestand die Grünen-Basis noch vor hundert Tagen stimmte. Im Gegenteil: Ihre Umfragewerte verdoppeln sich beinahe. Inhaltliche Gründe gibt es hierfür nicht. Die Grünen profitieren von einer vagen, ihnen freundlichen Stimmung im Bund. Der Koalitionsbruch folgt vor allem wahltaktischem Kalkül.

Nur eine Woche nach ihrem Bundesparteitag endet das zweieinhalb Jahre währende Hamburger Bündnis. So störte die GAL nicht das Bild einer einigen Partei, das die Grünen-Führung von Freiburg aus ins Land schicken wollte.

Zudem kommt es der Bundespartei sehr gelegen, dass die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft bereits am 20. Februar stattfindet. Der Wahlmarathon im kommenden Jahr wird so aller Voraussicht nach mit einem fliegenden Start in der Hansestadt beginnen. Nur einen Monat später werden in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Landtage neu gewählt, in Hessen finden zudem Kommunalwahlen statt.

Doch abgesehen vom Wahlkalkül tut sich ein Problem auf. Die angeblichen Wunschpartner SPD und Grüne eint in Hamburg reichlich wenig. Die SPD fordert von ihrem Koalitionär in spe als Erstes ein Ja zur umstrittenen Elbvertiefung. Der von Schwarz-Grün beschlossene Bau einer Stadtbahn steht wegen der hohen Kosten wieder auf der Kippe, und die Gemeinschaftsschule ist Geschichte. Die Grünen wissen genau, was sie tun müssen, um gewählt zu werden. Aber sie wissen nicht, wie sie regieren wollen.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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