Kommentar Haushaltsüberschuss: Wenn Zinsen zu Steuern werden

Deutschland profitiert von den sinkenden Zinsen. Die Politik der Zentralbank sorgt für eine Umverteilung in die öffentlichen Kassen.

Eine Frau im Blaumann hält ein ein Schweißgerät in der Hand.

Es läuft einfach in der deutschen Wirtschaft. Den Staat freut es Foto: dpa

Man könnte meinen, Deutschland befinde sich auf dem Mars. In Europa kämpfen viele Staaten immer noch gegen hohe Arbeitslosigkeit und hohe Staatsdefizite. In vielen Schwellenländern bricht die Wirtschaft ein, in Japan stagniert sie – und was passiert hier? Die öffentlichen Kassen erzielten 2015 einen Rekordüberschuss von 19,4 Milliarden Euro. Als ob das Land, verschont von allem Unbill der Welt, auf einem anderen Planeten liege.

Es verhält sich andersherum: Deutschland ist – noch – Gewinner seiner ziemlich günstigen Lage auf der Erde. Allein die sinkenden Zinsen auf die Staatsschulden erbrachten 2014 Ersparnisse in Höhe von 40 Milliarden Euro, im Vergleich zu den Zinsen von 2007. 2015 dürfte es eher noch mehr gewesen sein. Dazu kommt ein niedriger Ölpreis, der den Konsum ankurbelt. Und ein Staat, der Milliarden zur Aufnahme von Flüchtlingen investiert, was die Wirtschaft ankurbelt.

Allerdings gilt das Zinsargument mittlerweile auch für zahlreiche andere Staaten, die trotzdem ein höheres Defizit als Deutschland aufweisen. Alle profitieren von einer Art versteckter Steuererhöhung, über den Umweg Zentralbanken: Die versuchen die Wirtschaft dazu anzuregen, Geld auszugeben. Sie senken die Zinsen, um Kredite zu verbilligen, sie pumpen Billionen in die Geldtöpfe der Märkte, in der Hoffnung, ein Teil davon schwappt in die sogenannte Realwirtschaft über.

Den Staat freut es, denn als Nebenwirkung sinken die Kosten der Verschuldung. Weitere Nebenwirkungen sind extrem schwankende Aktienkurse, explodierende Immobilienpreise und Mieten, eine schleichende Enteignung derer, die ihr Geld auf dem Sparbuch liegen haben oder für die Rente zurücklegen. Im Endeffekt gibt es also eine Umverteilung in die öffentlichen Kassen. Früher erhob man dafür Steuern und diskutierte darüber, wer wie und warum zu zahlen hat. Heute verrichten das Zentralbanken in einem Prozess, den niemand mehr versteht.

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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