Kommentar Heim-Tribunal: Aufarbeitung ist bitter nötig

Anders als bei den Opfern der Heimerziehung aus den 1960ern drückt sich die Politik um die Anerkennung gegenwärtiger Leidtragender herum.

Das ehemalige Gebäude der Haasenburg-Heime in Müncheberg.

Ein Ort des Unrechts: Das ehemalige Gebäude der Haasenburg-Heime in Müncheberg Foto: dpa

Das Konzept dieses Heim-Tribunals war nötig, aber auch ein bisschen schräg. Anerkannte Wissenschaftler hörten sich an, was Adressaten der Jugendhilfe erlitten haben, und die Verteidigung wurde – weil sich keiner für diese Position fand – nur gespielt als „Anwalt des Teufels“.

Das Ergebnis ist wertvoll für den Fachdiskurs, aber eigentlich gehört die Aufarbeitung auch in die Politik. Im Hamburger Rathaus wird die Causa Haasenburg noch immer mit spitzen Fingern angefasst, obwohl die Stadt seinerzeit mehr als 50 junge Menschen dorthin schickte. Der frühere Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) weigerte sich 2015, mit zwei Müttern von betroffenen Jugendlichen zu reden, und bis heute hat seine Nachfolgerin das nicht nachgeholt. Die seit zwei Jahren tagende Enquetekommission zu Kinderschutz und Kinderrechten hat das Thema auswärtiger Heimunterbringung erst gar nicht auf dem Schirm.

Mit der Aufdeckung des Haasenburg-Skandals wurde es erstmals seit Längerem möglich, öffentlich zu thematisieren, wie es den Kindern und Jugendlichen in Heimen geht. Es gab eine Weiterung des Diskurses: Nicht nur Drill und Fixierliegen, auch Kontaktverbote und Trennung von zu Hause ohne Not und gegen den Willen eines Kindes sind nun gewaltförmige Eingriffe, die die Kinderrechte verletzen.

Nötig ist die Unterstützung für Familien, die verhindert, dass es zur Eskalation kommt und es überflüssig macht, Kinder aus den Familien zu nehmen. Auch dass Heimplätze nicht Marktmechanismen unterliegen sollen, ist ein sehr kluger Gedanke. Und wir brauchen eine Ächtung restriktiver Methoden wie Zwangssport, die es leider immer noch gibt.

Es war mutig von den jungen Leuten, sich beim Heim-Tribunal als Zeugen zu zeigen, und gut, dass sie die Chance genutzt haben. Denn anders als bei den Opfern der Heimerziehung aus den 1960ern drückt sich die Politik um die Anerkennung ihres Leids und die Frage von Wiedergutmachung herum. Die Dokumentation dieses Tribunals, die hoffentlich auch in den Bericht zur Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention einfließt, sollte ein Anstoß sein, diesen Zustand zu beenden.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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