Kommentar Hilfsstopp in Afghanistan: Botschaften des blanken Terrors

Das Rote Kreuz stoppt seine Hilfe in Afghanistan. Anders als die Bundesregierung behauptet, gibt es dort keine sicheren Gebiete.

Der Pressesprecher des Roten Kreuzes Thomas Glass spricht vor der Presse am Donnerstag

„Wir haben beschlossen, die Arbeit erstmal zu suspendieren“, sagte Sprecher Thomas Glass am Donnerstag Foto: ap

Welches Motiv mögen Menschen für die Ermordung von Mitarbeitern des Roten Kreuzes haben? Hätten sich die Täter an Fahrzeugen und Hilfsgütern bereichern wollen, hätten sie diese nicht unangetastet zurückgelassen. Hätten sie mit dem Angriff möglichst viel Aufmerksamkeit erregen wollen, wäre dafür eine Entführung besser geeignet gewesen. Zwar sind möglicherweise jetzt auch zwei Rote-Kreuz-Mitarbeiter entführt worden (von ihnen fehlt jede Spur), aber sechs weitere wurden kaltblütig ermordet. Das ist blanker Terror. Doch könnte genau die Verbreitung von Angst und Schrecken die intendierte Botschaft sein.

In dem zunehmend außer Kon­trol­le geratenen Konflikt am Hindukusch wird humanitäre Hilfe immer riskanter, weil sich Terrorgruppen mit ihren Botschaften des Horrors überbieten. Die Taliban sind schrecklich. Aber der in Afghanistan langsam Fuß fassende „Islamische Staat“ (IS) ist womöglich noch schlimmer. Das wäre zumindest der Fall, wenn der IS – wie vom dortigen Polizeichef vermutet – jetzt hinter der Tat steckt und das Dementi der Taliban wirklich zutrifft.

Die Ermordung der Rote-Kreuz-Helfer hat aber auch für westliche Regierungen unangenehme Botschaften. Für die deutsche lautet sie: Wenn dort nicht einmal Rote-Kreuz-Helfer mehr sicher sind und die Organisation ihre Hilfe aussetzen muss, sind Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu verantworten. Denn es gibt dort – anders als die Bundesregierung behauptet – eben keine sicheren Gebiete.

Die amerikanische Regierung hat nach der Bombardierung eines Krankenhauses in Kundus die geforderte unabhängige Untersuchung verweigert. Zwar ist eine auf Irrtum oder Nachlässigkeit zurückzuführende Tö­tung mit vorsätzlichem Mord nicht gleichzusetzen. Aber wenn auch hier die Opfer vom Völkerrecht geschützte humanitäre Helfer sind, schafft dies einen Präzedenzfall und eine nicht zu akzeptierende Relativierung internationalen Rechts.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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