Kommentar Internet-Manifest: Bitte redet über Geld!

In einem Manifest formulieren Journalisten und Blogger um Markus Beckedahl, Mario Sixtus und Mercedes Bunz 17 Thesen dazu, "wie Journalismus heute funktioniert". Eine Replik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen vom „Internet-Manifest“,

mal wieder also ein Papier mit Thesen. Schön. Der Anlass sind ja die „Heidelberger Erklärung“, die „Hamburger Erklärung“ und die Äußerungen von Hubert Burda und Frank Walter Steinmeier zu Google News. Die haben ja alle keine Ahnung vom Netz, sagt ihr, und legt ein eigenes Papier vor.

Ihr sagt das ja schon länger. Schade, dass euch nicht mehr eingefallen ist, als „den alten Männern, die keine Ahnung vom Netz“ haben. Sonderlich manifest ist euer Papier nicht. Erst im Nachhinein wurde ein Wiki eingerichtet, in dem alle eure Thesen weiterentwickeln können: Damit habt ihr die eigenen, stets hochgelobten Prinzipien der Transparenz, der Offenheit und des kollaborativen Arbeitens verletzt - das ist eine Fußnote, die keinesfalls zu verschweigen ist.

Ihr habt ja recht: Es muss etwas passieren. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich an die neuen vernetzten und digitalisierten Realitäten anpassen. Viele von uns müssen noch lernen, Wirtschaft anders zu denken, die milliardenfache, verlustfreie Kopierbarkeit von Werken anzuerkennen und aus diesem Reichtum etwas Positives für die Welt – aber auch für das eigene Auskommen – zu erzielen.

Nach den ganzen Schlammschlachten „Journalismus vs. Blogger“ der letzten Jahre ist nun die Zeit reif für eine sachliche Debatte um die Zukunft von Journalismus. Es tut not, Modelle zu entwickeln, die die Wissensproduktion gerecht vergüten. Gleichzeitig soll die Qualität erhalten und im besten Falle gesteigert werden.

Für das alles braucht es Geld.

Da habt ihr keine Antwort als nur eine neoliberale: Die unsichtbare Hand der Werbung soll es regeln. Wer Content produziert, soll sich eben ein neues, kreatives Geschäftsmodell überlegen – oder im Wettbewerb sterben. Das Urheberrecht wird irgendwie zur „Bürgerpflicht“ – übrigens ein interessanter Gedanke – es wird aber nicht gesagt, wie es durchgesetzt werden soll.

Habt ihr keine anderen Vorschläge?

Was ist mit dem guten alten Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Was ist mit der VG Wort – wäre es nicht sinnvoll, diese derart zu reformieren, dass Blogger leichter von ihr profitieren können? Wenn ihr wirklich glaubt, dass der klassische Journalismus ausstirbt – seht ihr dann darin kein Problem für die Demokratie? Wer soll denn in Zukunft langwierige, teure Recherchen bezahlen?

In eurem Papier werft ihr die Wissensproduktion dem Markt zum Fraße vor. Es liest sich so, als wünschtet ihr euch direkt in die Entstaatlichung, in einen rechtsfreien Raum. Mit diesem Papier treibt ihr die Entpolitisierung von Netzpolitik voran!

Vor allem ist es vor dem Hintergrund, dass die meisten von euch für „Totholzmedien“, für das „Staatsfernsehen“ oder auch mal in Agenturen festangestellt arbeiten, reichlich unglaubwürdig.

Ihr hättet es besser gekonnt.

Herzlich

Julia Seeliger

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