Kommentar Italiens Haushaltspolitik: Römisches Nullsummenspiel

Geld für die Konjunktur ausgeben und gleichzeitig sparen: Auch Ministerpräsident Matteo Renzi gelingt die Quadratur des Kreises nicht.

Will 36 Milliarden Euro für die Konjunktur lockermachen: Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Bild: ap

Viel, womöglich sogar zu viel – und doch nicht genug: Auf diese Formel lässt sich der jetzt von Ministerpräsident Matteo Renzi vorgelegte Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 bringen.

Gleich 36 Milliarden Euro will Renzi lockermachen, um endlich die Konjunktur in Gang zu bringen, und viele der vorgeschlagenen Maßnahmen sind sinnvoll. Die vorgenommene Senkung der Lohnsteuer für untere und mittlere Einkommensgruppen soll verstetigt werden. Die Unternehmensteuer Irap wird deutlich gekürzt, Leistungen für Arbeitslose werden aufgestockt.

Um diese Ziele zu erreichen, geht Renzi bis an den Anschlag: Die Neuverschuldung soll im nächsten Jahr 2,9 Prozent des BIP betragen. Frau Merkel und die EU-Kommission wird das nicht freuen – der Abbau des italienischen Schuldenbergs ist damit nämlich erneut verschoben, Ärger aus Brüssel ist programmiert.

Mit teils heftiger Kritik hat Italien auf die geplanten milliardenschweren Haushaltsmaßnahmen der Regierung reagiert. Vor allem die Regionen, die von den geplanten Kürzungen betroffen wären, liefen gegen das von Regierungschef Matteo Renzi und seinem Kabinett geplante Stabilitätsgesetz Sturm. Die Regierung hatte sich am Mittwochabend auf das Gesetz geeinigt. Mit dem insgesamt rund 36 Milliarden Euro schweren Paket will Renzi die lahmende Wirtschaft des Euro-Schwergewichts wieder in Gang bringen. Es sieht unter anderem Steuererleichterungen und neue Ausgaben vor. Nach der Sitzung der Ministerrunde sagte Renzi am Abend, es handele sich um die „größte jemals von einer Regierung unternommene Steuersenkung in der Geschichte der Republik“.

Dennoch könnte sich das auf den ersten, den Brüsseler Blick „zu dicke“ Paket als viel zu schmal entpuppen, um Italien endlich aus der Rezession zu hieven. Bei der Gegenfinanzierung der 36 Milliarden nämlich geht Renzi den traditionellen Weg, den seit 2010 schon Silvio Berlusconi und Mario Monti einschlugen: Ministerien, Regionen und Gemeinden werden 15 Milliarden abgeknüpft – Milliarden, die bisher in Sozialleistungen, in Schulspeisung oder den Nahverkehr flossen.

Auf der einen Seite könnten so staatliche Steuersenkungen stehen, auf der anderen Erhöhung von Gebühren, Streichung von Leistungen, Zuschläge bei den Kommunalsteuern – kurzum: ein Nullsummenspiel.

Statt wirkungsvoller Medizin gibt es einen Wadenwickel. Auch Renzi kann die Quadratur des Kreises nicht gelingen: einen expansiven Haushalt zu verabschieden und gleichzeitig die Austeritätspolitik fortzusetzen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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