Kommentar Journalisten auf der Krim: Putin’sche Terrorbekämpfung

So sieht sie aus, die neue Pressefreiheit: Kritische Journalisten auf der Krim werden unter Druck gesetzt und festgenommen.

Ein Journalist wird in Slawjansk von prorussischen Kämpfern kontrolliert. Bild: reuters

Für die Bewohner der Krim, die im vergangenen März mit ein wenig Nachhilfe sogenannter grüner Männchen freiwillig aus der Ukraine aus- und der Russischen Föderation beitraten, brechen jetzt paradiesische Zeiten an. Ältere Menschen dürfen sich beispielweise über höhere Renten freuen – von denen sie wegen horrender Preissteigerungen jedoch leider nichts haben.

Nicht ganz so paradiesisch ist die Lage auch für jene Journalisten, die nicht nur stumpf die Propaganda des Kreml nachbeten, sondern sich erdreisten, kritisch über die politischen Verhältnisse zu berichten. So sieht sie also aus, die neue Meinungs- und Pressefreiheit nach Putin’scher Manier.

So wurden Anfang dieser Woche in der Krimhauptstadt Simferopol Sergej Mokruschin und Wladlen Melnikow, zwei Mitarbeiter des Zentrums für investigativen Journalismus, festgenommen. Der Vorwurf lautete auf Rowdytum. Zudem hätten die beiden in ihren Beiträgen Vertreter der russischen Regierung verunglimpft. Mittlerweile sind Melnikow und Mokruschin wieder auf freiem Fuß, nachdem Letzterer zum Abschied von Milizionären zusammengeschlagen worden war.

Noch schlechter erging es Oleg Senzow. Der russischstämmige Regisseur mit ukrainischem Pass, bislang ebenfalls wohnhaft in Simferopol, wurde Ende Mai auf der Krim festgenommen. Derzeit sitzt er im Moskauer Gefängnis Lefortowo ein, das nicht gerade als Sanatorium bekannt ist. Angeblich soll Senzow der faschistischen Organisation Rechter Sektor angehören – von deren Mitgliedern wimmelt es ja bekanntermaßen nur so in der Ukraine – und Terroranschläge unter anderem in Simferopol, Jalta und Sewastopol vorbereitet haben. Im Falle einer Verurteilung drohen 20 Jahre Haft oder sogar „lebenslänglich“.

Journalisten verlassen den Osten

Auch in den beiden ostukrainischen Gebieten Donezk und Lugansk, die noch ihrer Befreiung vom Kiewer Joch harren, sind die prorussischen, selbst ernannten Machthaber im Umgang mit aufmüpfigen Medienmachern nicht zimperlich. Mehrere Journalisten, die bedroht worden waren, haben bereits den Osten in Richtung Hauptstadt verlassen.

In dieser Woche überfielen bewaffnete Uniformierte die Redaktionsräume der beiden Regionalblätter Donbas und Vetschernij Donezk. Sie nahmen drei Redakteure fest, verschleppten sie an einen unbekannten Ort und ließen ihre Opfer nach einigen Stunden wieder frei. Die kurzzeitig Entführten hätten inkorrekt über die Separatisten berichtet. Sie seien gut beraten, ihre Blattlinie unverzüglich zu ändern, lautete die Aufforderung, die die Betroffenen wohl besser ernst nehmen sollten.

Damit die Bewohner von Lugansk und Donezk sich auch wirklich ein objektives Bild von der Situation in den beiden umkämpften Regionen machen können, wurden die vier ukrainischen Fernsehkanäle ICTV, STB, Inter und Irta abgeschaltet. Irta betreibe rein proukrainische Propaganda, teilten die Separatisten mit, die sich mit Waffengewalt Zutritt zu dem Sender verschafft hatten. Der hatte bereits im vergangenen April von Vermummten Besuch bekommen, um den sich dann aber das Sicherheitspersonal erfolgreich kümmerte.

Für Jewgenij Sacharow, Direktor der Charkower Gruppe zum Schutz von Menschenrechten, ist das erst der Anfang. Besonders auf der Krim werde sich die Situation für unabhängige Journalisten weiter verschlechtern, und das sehr bald, glaubt er. Die Befürchtungen sind nicht grundlos. Ein Blick nach Russland genügt. Dort geht, Putin sei Dank, der Staat seit Kurzem auch verstärkt gegen Blogger vor – auf der Grundlage des Antiterrorgesetzes, versteht sich.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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