Kommentar Jugendliche und Bundeswehr: Geschicktes Kalkül

Waffen töten Menschen und sind nicht zur Belustigung da. Die Bundeswehr sollte die Versuche der Anwerbung von Minderjährigen sein lassen.

BesucherInnen auf einem Minenräumpanzer

Interessierte besichtigen einen Minenräumpanzer, 11. Juni 2016 in Wilhelmshaven Foto: dpa

Am Ende waren die Beweisbilder von Kindern an Handfeuerwaffen zu erdrückend. Nur wenige Stunden nachdem Friedensaktivisten mit ihren Fotos vom „Tag der Bundeswehr“ in Stetten an die Öffentlichkeit gegangen waren, eröffnete die Bundeswehr ein internes Verfahren. Am Tag darauf bedauerte die Verteidigungsministerin persönlich den Vorfall und gelobte Besserung. Zukünftig sollen bei solchen Tagen der Bundeswehr keine Waffen mehr zum Anfassen präsentiert werden, sondern nur noch in Vitrinen.

Das war richtig – der Ministerin blieb aber auch keine andere Wahl. Schließlich hatte man gegen hauseigene Regularien verstoßen. Die Konsequenzen reichen allerdings nicht aus. Denn solche Werbe-Techniken haben bei der Bundeswehr Methode.

Seit dem Ende der Wehrpflicht 2011 muss die Bundeswehr Freiwillige für sich gewinnen. Dafür stieg das Budget für Nachwuchswerbung seit 2010 von 12 auf über 35 Millionen Euro. Im Fokus der Anwerbung stehen vor allem Jugendliche. Karriereberater der Bundeswehr tingeln Tag für Tag durch die Klassenzimmer. Interessierten versprechen sie Action, Abenteuer und Waffen.

Nun sind vor allem junge Männer – geprägt von Konsolenspielen und Actionfilmen – technikaffin und finden Waffen cool. Das nutzt die Bundeswehr geschickt aus. Mal wirbt sie mit einem „Sommercamp“ in der Jugendzeitschrift Bravo, mal stellt sie martialische Waffenschau-Videos auf YouTube.

Hinweise über Risiken sowie die körperliche und mentale Belastung bei Kampfeinsätzen sucht man jedoch vergeblich. Stattdessen nimmt die Bundeswehr als eine der letzten Armeen weltweit auch Minderjährige bei sich auf.

Dabei dürfen 17-Jährige nicht unbegleitet Auto fahren, sie dürfen nicht wählen, sie dürfen nicht eigenständig heiraten – sie dürfen sich nicht einmal einen richtigen Horrorfilm ansehen. Dafür gelten sie als zu jung, als nicht reif genug, nicht fähig genug zur Reflexion. Bei der Bundeswehr dürfen ebendiese 17-Jährige aber lernen, wie man Handfeuerwaffen bedient. Vollkommen reflektiert, versteht sich.

Waffen sind dafür konzipiert, Menschen zu töten – nicht dazu, sie zu belustigen. Wenn es die Ministerin ernst meint mit ihrer Betroffenheit, dann verbietet sie Minderjährigen nicht nur den Kontakt zu Waffen und Munition, sondern auch ausnahmslos den Zutritt zu Panzern, U-Booten oder Kampfjets.

Ihre 644 minderjährigen Soldaten kann die Bundeswehr ja behalten – dann aber konsequenterweise, ohne sie an der Waffe auszubilden. Das kann – wie Auto, Heirat und Wahlkreuz – bis zum 18. Geburtstag warten.

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