Kommentar Jugendschutz: Mit dem Kontrollverlust leben lernen

Das Bedürfnis nach Rausch ist eine anthropologische Konstante. Und der Umgang mit Alkohol muss gelernt werden. Verbote haben da noch nie geholfen.

Natürlich ist das Verbot, harten Alkohol an Minderjährige zu verkaufen, richtig. Wer aber glaubt, eine Verschärfung des schon existierenden Verbots könnte den Alkoholkonsum von Minderjährigen unterbinden, macht sich Illusionen. Wenn die Erfahrungen mit der Drogenprohibition der letzten Jahrzehnte eines gezeigt haben, dann ja wohl, dass wer etwas haben will, es auch bekommt. Auch als 14-Jähriger. Darüber hinaus ist ein absolutes Verbot aber auch gar nicht wünschenswert.

Es mag sich zynisch anhören, angesichts all der 14-Jährigen, die gerade mit schweren Alkoholvergiftungen medienwirksam im Krankenhaus aufwachen. Aber wer aus diesen Geschichten Gesetzesverschärfungen ableiten möchte, der soll sich an seine eigene Schulzeit erinnern. Seine Grenzen auszutesten, bescheuerte Mutproben zu absolvieren und das zu machen, was die Autoritäten einem verbieten wollen, ist wichtiger Teil der Adoleszenz. Das muss die Gesellschaft aushalten können.

Mehr als das: Will man über einen rationalen gesellschaftlichen Umgang mit Drogen sprechen, muss man anerkennen, dass das Bedürfnis nach Rausch zum einen eine anthropologische Konstante ist und dass sich der Rauschmittelkonsum zum anderen nicht auf Leistungssteigerung und Verzweiflung reduzieren lässt. Denn auch der Glaube an einen ursprünglich reinen Körper, der ohne Drogen auskommt, ist eine Illusion. Es gibt ihn nicht. Auch wenn Sozialarbeiter und Dopingkritiker anderes sagen. Drogen sind nicht nur Symptom für Probleme, sie machen auch Freude. Wichtiger Teil dieser Freude ist das Gefühl des Kontrollverlusts. Der Umgang damit will gelernt sein.

Wer damit nicht leben kann, muss sich fragen lassen, ob er Zustände wie in den USA haben möchte. Dort muss jeder Gast einer Bar sich ausweisen, damit niemand, der jünger ist als 21 Jahre, Alkohol bekommt. Genutzt hat es nichts, getrunken wird wie überall sonst. Dass die Anonymen Alkoholiker mit ihren Abschwör-Ritualen die gesellschaftliche Wichtigkeit einer Volkskirche haben, ist die Folge, wenn eine Gesellschaft glaubt, auf eine Kultur des Rausches verzichten zu können.

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