Kommentar Koalitionsgipfel: Drei Linien, nicht eine einzige

Schwarz-Gelb ist zerrüttet, inhaltlich wie psychologisch. Der Koalitionsgipfel zeigt dies ganz deutlich.

Normalerweise dienen Koalitionsgipfel dazu, das Wichtige zu entscheiden. Die viel beschäftigten Parteivorsitzenden treffen sich vertraulich und in kleiner Runde, um endlich Themen abzuräumen, bei denen sich die Fachpolitiker verhakt haben. So jedenfalls die Theorie. Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler haben dieses Treffen jetzt zum Floskelgipfel umgewidmet: Wir reden mal ein bisschen im Kanzleramt, entscheiden, äh, nun ja: nichts, nennen das aber „sich über die großen Linien verständigen“.

Doch auch die schönsten Euphemismen der Vorsitzenden können nicht über den katastrophalen Zustand von Schwarz-Gelb hinwegtäuschen. Denn genau dies ist ja gerade das Problem dieser Koalition: Sie verfügt über keine einzige große Linie mehr, über die man sich verständigen könnte.

Schwarz-Gelb ist zerrüttet, inhaltlich wie psychologisch. Bei fast jedem zentralen Thema tun sich Gräben zwischen den vermeintlichen Partnern auf, die Protagonisten begegnen sich mit Misstrauen, oder sie beharken sich gleich in Interviews. Statt einer Linie, um noch einmal im Bild zu bleiben, präsentiert Schwarz-Gelb drei Linien – für jede Partei eine.

CSU-Chef Seehofer denkt an die Landtagswahl in Bayern. Und treibt deshalb rücksichtslos das miefige Betreuungsgeld voran. Merkel setzt auf Demobilisierung der SPD-Wähler im Bund und lackiert ihre CDU rot. Und winkt deshalb mit einem schwammigen Mindestlohn. FDP-Chef Rösler schließlich hofft, mit einem wirtschaftsliberalen Kurs die eigene Haut retten zu können. Und sperrt sich gegen Mindestlöhne und die Finanztransaktionssteuer. Diese Koalition redet nicht mehr darüber, was sie bis zum Wahlkampf noch tun könnte. Sie befindet sich längst mittendrin.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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