Kommentar Korruption bei der Fifa: Kein Kalif anstelle des Kalifen

Sepp Blatter ist ein unangenehmer Zeitgenosse. Aber es reicht nicht, ihn durch einen anderen Funktionär zu ersetzen. Das Problem hat System – und reicht bis in die deutsche Provinz.

Reinhard Bütikofer hat eine Idee: Wegen der erheblichen Bestechungsvorwürfe soll Joseph Blatter das Bundesverdienstkreuz aberkannt werden. Ähnlich wie der grüne Europapolitiker sehen es Thomas Oppermann von der SPD, Wolfgang Neskovic von der Linkspartei und, wenngleich etwas verklausuliert formulierend, Wolfgang Bosbach von der CDU.

Nimmt man für einen Moment an, dass das Bundesverdienstkreuz tatsächlich eine Auszeichnung für ehrenwerte Taten ehrenwerter Menschen ist und vergisst, was es jahrzehntelang war, nämlich ein Stück Blech, mit dem vormalige Parteigenossen in den Ruhestand verabschiedet wurden, möchte man einwenden: Wie zum Teufel ist Blatter überhaupt zu diesem Orden gekommen? Wusste man nicht, was das für einer ist?

Man wusste es, natürlich. Aber das zählte im Sommer 2006, als ihn Angela Merkel zum Dank für das „Sommermärchen“ auszeichnete, nicht. Gern übersah man, dass Blatters Weg spätestens seit seiner – mutmaßlich mit gekauften Stimmen erfolgten – Wahl zum Fifa-Präsidenten im Juni 1998 von etlichen aktenkundigen Skandalen (wie den Vorgängen um den Rechtevermarkter ISL) oder vermuteten Anrüchigkeiten (wie der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 bzw. 2022 an Russland und Katar) begleitet ist.

Noch dreister, noch hässlicher

Dabei ist Blatter nicht der Schurke, der einen zuvor anständigen Verband ruiniert hätte. Auch unter dessen Vorgänger João Havelange, der Ende vergangenen Jahres wegen erwiesener Korruption aus dem Internationalen Olympischen Komitee zurücktreten musste, stand es um die Kassen der Fifa glänzend und die Sitten lausig. Unter Blatter wurde alles nur noch dreister, noch hässlicher – und noch offensichtlicher.

Wie er sich dennoch so lange halten konnte? Weil es im Weltfußball keine Mechanismen gibt, die einem solchen Zampano irgendwann den Garaus machen würden.

Die Fifa ist ein Monopol, und um die Kontinentalverbände ist es nicht viel besser bestellt als um den Weltverband. Und vielleicht nicht unbedingt in Sachen Korruption und Vetternwirtschaft, wohl aber im Hinblick auf die innere Verfasstheit sieht es in den Mitgliedsverbänden ähnlich aus.

Auch der Deutsche Fußball-Bund wird von einer kleinen Funktionärsclique geführt; Transparenz und Demokratie sind dem DFB ebenfalls fremd – ebenso dessen fünf Regionalverbänden und deren zwanzig Landesverbänden. So betrachtet ist der Fußballverband Niederrhein, der seit 1989 vom selben Präsidenten geführt wird, auch nur eine Fifa im Kleinen.

Und eben weil der organisierte Fußball bis in seine Kapillare derart autoritär verfasst ist, kann Blatter mit einer aristokratischen Gelassenheit sagen: „Rücktrittsforderungen sind wie meteorologische Ereignisse, die gibt es immer wieder.“

Dass er sich immer wieder gegen interne Widersacher durchsetzen musste, widerspricht diesem Befund nicht, im Gegenteil. Denn diese Konkurrenten – 2002 der Kameruner Issa Hayatou, 2011 der Katarer Mohammed bin Hammam – waren vormalige Weggefährten, die selbst unter Korruptionsverdacht standen.

Mit dem Uefa-Präsidenten Michel Platini könnte sich bald der nächste Ex-Zögling finden, der Kalif anstelle des Kalifen werden will. Etwas ändern würde sich im Weltfußball freilich erst, wenn keiner Kalif anstelle des Kalifen wird, sondern das Kalifat ganz abgeschafft wird. Und das beginnt zum Beispiel beim DFB. Oder beim Fußballverband Niederrhein.

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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