Kommentar Krankenkassen-Beiträge: Auf Kosten der Versicherten

Für die Finanzierungslücke im Gesundheitsfonds ist die Sparpolitik der Regierung verantwortlich. Die Kassen geben den Kostendruck weiter.

Eine bunte Sammlung von Gesundheitskarten

Sind jetzt die Krankenkassen schuld, wenn ihre Beiträge zu hoch sind? Das ist nur die halbe Wahrheit. Foto: ap

Keinesfalls möchte der Bundesgesundheitsminister den Ärger von 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten gegen sich gerichtet wissen. Und so ließ Hermann Gröhe (CDU) schlaufuchsmäßig mitteilen: Erstens dürfe jede Krankenkasse individuell entscheiden, ob sie ihre Versichertenbeiträge 2016 tatsächlich erhöhen wolle. Zweitens verfügten die 123 gesetzlichen Kassen in Deutschland zusammen über Finanzreserven von 15 Milliarden Euro.

Die Botschaft: Eine Kasse, die gut gewirtschaftet hat, muss die Arbeitnehmer gar nicht einseitig mit Zusatzbeiträgen belasten. Tut sie es doch, dann sollten sich die Versicherten bei der Kasse beschweren – oder diese wechseln.

Leider liegen die Dinge komplizierter. Der Zusatzbeitrag allein ist kein Indikator für gutes oder miserables Wirtschaften. Solange die – von der Politik tolerierte – Verteilung der Mittel aus dem Gesundheitsfonds, Stichwort „Risikostrukturausgleich“ – bestimmte Kassen benachteiligt und andere bevorzugt, bleibt vielen Versicherungen nichts anderes übrig, als trotz guter Haushaltung höhere Beiträge zu erheben.

Das weiß auch Hermann Gröhe, und er weiß noch mehr: beispielsweise, dass die aktuelle Finanzierungslücke im Gesundheitsfonds weitaus kleiner wäre, wenn seine Regierung zuvor nicht zu Lasten der Beitragszahler gespart hätte. Die Steuerzuschüsse an den Fonds für versicherungsfremde Leistungen, wie etwa die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder, wurden zuletzt mal eben um einen satten Milliardenbetrag gekürzt. Dazu kommen die Gesetze zur Prävention, zur Palliativmedizin und zur Krankenhausreform, die unbestritten Verbesserungen bringen – vor allem auf Kosten der Beitragszahler.

Die Folgen dieser Gesundheitspolitik sind erwartbar: Die Kassen werden den Druck weitergeben, die alten Verteilungskämpfe werden die neuen sein, und die Politik? Wird behaupten, nichts damit zu tun zu haben.

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Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

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