Kommentar Krankenkassenbeiträge: Wo bleiben die Arbeitgeber?

Der Anstieg der Kassenbeiträge wird allein von den Arbeitnehmern getragen. Es ist Zeit, die paritätische Finanzierung wieder einzufordern.

Ein leeres Krankenbett in einerm Krankenhausflur

Wir liegen alle in einem Bett: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Foto: prokop / photocase.de

Wenn es um das Gesundheitssystem geht, herrscht in Deutschland ein Widerspruch: Da werden Versorgungsmängel beklagt, Budgetierungen gegeißelt, da wird vor Rationierungen gewarnt. Aber wenn dann ab 2016 Beiträge steigen und vielleicht 15 Euro mehr im Monat fällig werden für die gesetzliche Krankenkasse, geht das Gemosere los und die Rechnerei, ob man schnell zu einer billigeren Kasse wechseln sollte, die ihre Beiträge nur um monatlich 5 Euro erhöht.

Dabei haben Beitragserhöhungen weniger mit schlechtem Wirtschaften einer Krankenkasse zu tun; sie können auch auf einen hohen Anteil an Hochrisikopatienten zurückzuführen sein, die Hunderttausende Euro im Jahr kosten, oder auf steigende Arzneimittelausgaben für teure Krebsmedikamente oder einen hohen Anteil chronisch Kranker. Etwas mehr Kassensolidarität wäre also nicht schlecht. In einer alternden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt ist ohnehin zu erwarten, dass die Beiträge zur Gesundheitsversorgung steigen werden.

Allerdings rückt ein Punkt jetzt wieder zu Recht in den Mittelpunkt der Gerechtigkeitsdebatte, und das ist die zunehmend unparitätische Finanzierung der Kassenbeiträge. Die Arbeitgeber zahlen gegenwärtig einen Beitrag von 7,3 Prozent des Bruttolohns für ihre Beschäftigten, die Arbeitnehmer hingegen tragen bei der teuersten Versicherung ab kommendem Jahr 8,8 Prozent vom Brutto an Beitragslast. Der Arbeitnehmerbeitrag wird steigen, der Beitrag der Arbeitgeber ist hingegen eingefroren.

Vor dem Jahr 2005 wurden die Kassenbeiträge und ihre Erhöhung immer genau hälftig zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt. Doch im Zuge der Debatte über die hohen Lohnnebenkosten, die seit den Zeiten der Massenarbeitslosigkeit in den 1990er Jahren an Fahrt gewann, wurde die paritätische Finanzierung nach und nach ausgehebelt, um die Unternehmen zu entlasten. Zuletzt geschah das auch mit Zustimmung der SPD in der Großen Koalition.

Aber die Zeiten ändern sich. Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken, hohe Lohnkosten sind im Moment kein vordringliches Thema. Ein günstiger Zeitpunkt also, die paritätische Finanzierung der Kassenbeiträge wieder einzufordern. Die SPD, durchaus anpassungsfähig, wittert ein Thema für den kommenden Wahlkampf, und das zu Recht.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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