Kommentar Kredit für Bundespräsidenten: Wiederholungstäter Wulff

Bei dieser Affäre geht es nicht um die formale Korrektheit der Annahme eines Privatkredits. Hier geht es um moralische Integrität, denn Wulff ist kein Bürokrat, sondern Präsident.

Bürokraten werden am Handeln des Bundespräsidenten nichts Verwerfliches finden. Kein Paragraf verbietet Spitzenpolitikern, sich hohe Summen von Freunden zu erfreulichen Zinssätzen zu leihen. Ebenso ist kaum zu bezweifeln, dass Christian Wulff - damals noch Ministerpräsident Niedersachsens - richtig auf Fragen von Abgeordneten antwortete, obwohl er das Wesentliche verschwieg.

Doch bei dieser Affäre geht es nicht um formale Korrektheit, sondern um moralische Integrität - Wulff ist kein Bürokrat, sondern Präsident.

Diesen entscheidenden Unterschied versteht er offenbar nicht: An Spitzenpolitiker legt die Gesellschaft zu Recht besonders hohe Maßstäbe an. Wer den Bürgern ein Vorbild geben will, wer sich in Reden als aufrechter Verteidiger der Demokratie geriert, wer die Parteien explizit moralisch kritisiert, muss jeden Eindruck einer persönlichen Vorteilsnahme vermeiden, die sich aus Ämtern ergibt.

Genau deshalb ist der von einer Unternehmergattin gewährte Privatkredit gefährlich für Wulff. Denn er vervollständigt das Bild eines Politikers, der eben nicht nur nahe Freundschaften zu Firmenchefs pflegt, was nicht problematisch wäre, sondern der persönlich von diesen nahen Kontakten profitiert hat. Und darüber am liebsten schweigt.

Dass Wulff die Grenze zwischen Politik und Wirtschaft eigenwillig zieht, ist nicht neu. Das bewies er mit einem Urlaub in der Villa des Millionärs Maschmeyer und mit Business-Class-Flügen, die er sich vom Air-Berlin-Chef sponsern ließ. Wenn es um Buddygeschäfte geht, ist Wulff ein Wiederholungstäter.

Es ist unwahrscheinlich, dass der Präsident über die Kreditaffäre stolpert. Dafür ist die Verfehlung zu gering, ein Wechsel im höchsten Staatsamt ist zudem das Letzte, was die krisengeschüttelte Koalition derzeit braucht. Doch seinem Amt fügt Wulff doppelten Schaden zu - indem er Privates und Politisches nicht sauber trennt, und indem er sich rechtfertigt wie ein bürokratischer Erbsenzähler.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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