Kommentar Kurden in Syrien: Vorprogrammierter Türkei-Konflikt

Die Erfolge der Kurden in Syrien sorgen die türkische Regierung. Die westliche Unterstützung für die YPG wird als schwerer Affront gesehen.

Jeep mit bewaffneten Kämpfern

In der Türkei wächst die Sorge vor zu großen Erfolgen der kurdischen Truppen (Archivbild) Foto: ap

Alle Welt freut sich über die Vertreibung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus der syrischen Stadt Manbidsch, nur die türkische Regierung ist sauer, heißt es in westlichen Medien. Tatsächlich dürfte die Freude über die Frauen, die ihre Gesichtsschleier verbrennen, und die Männer, die sich ihre Bärte abrasierten, in Ankara getrübt gewesen sein.

Nicht unbedingt, weil man immer noch den IS gut findet, sondern weil es kurdische Truppen der YPG waren, die Manbidsch befreit haben. Die Kurden haben sich dadurch auch wichtiges Terrain gesichert und könnten möglicherweise bald die letzte Lücke zwischen ihrem Kanton Kobani und dem westlich gelegenen Kanton Afrin schließen. Gelingt ihnen das, wären sie einer autonomen kurdischen Region, einem unabhängigen Staat gar, einen großen Schritt näher gerückt.

Die türkische Regierung will das unbedingt verhindern und wirft deshalb den USA schon länger vor, in Syrien eine kurdische Truppe zu unterstützen, die nichts anderes als ein Ableger der „Terrororganisation PKK“ ist. Ankara pocht deshalb auf eine Vereinbarung mit den USA, nach der sich die Kurden nach der Eroberung des arabischen Manbidsch wieder auf eine Linie östlich des Euphrats zurückziehen und ihren Sieg nicht zu einem weiteren Vormarsch nutzen.

Der Konflikt um die Kurden in Syrien ist geeignet, das Verhältnis der Türkei zu den USA, zur Nato und zum Westen insgesamt weiter extrem zu belasten. Nimmt man die Kontroverse um die Auslieferung Fethullah Gülens und die Enttäuschung über die angeblich mangelnde Unterstützung Europas bei der Abwehr des Putschversuchs noch hinzu, stellt sich wohl erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ernsthaft die Frage, ob der Westen die Türkei verliert.

Bei allem berechtigten Zorn über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sollte man solche epochalen Entscheidungen doch mit kühlem Kopf und einer klaren Vorstellung über die Folgen treffen.

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