Kommentar Lehren aus Olympia: Inszenierungen mit und ohne Nation

Seine politische Bedeutung hat der Sport, weil er ergebnisoffen ist. Je mehr er Sport ist, umso mehr bewirkt er. Auch Putin hat das begriffen.

Darsteller bei der Abschlussfeier

Auch hier wird viel in Szene gesetzt: Abschlussfeier der Winterspiele in Pyeongchang Foto: reuters

So etwas kann nur einen ZDF-Sportkommentator verblüffen: Russische Eishockeyfans haben nach dem Olympiasieg einer Mannschaft, die als „Olympische Athleten aus Russland“ (OAR) auftreten musste, nicht die olympische Flagge geschwungen und nicht die olympische Hymne gesungen. Zu sehen, zu hören war Russland.

Der Sport hat eine politische Wucht, die nicht zu übersehen war. Dieses Russland namens OAR, das im Finale gegen Deutschland bis kurz vor Schluss hinten lag, hat durch seinen Sieg gezeigt, dass es da ist: sehr real, egal wie der offizielle Bezeichnung lautet.

Das muss man nicht gut finden, aber zur Kenntnis sollte man schon nehmen, dass es der Sport war, der demonstriert, dass sich politische Realitäten nicht ungestraft durch die Beschlüsse internationaler Gremien wegschieben lassen.

Noch mehr lehrt dieses in vieler Hinsicht historische Eishockeyfinale zum Abschluss der Spiele in Pyeongchang: dass es merkliche Auswirkungen hat, wenn Nordamerika sich von der Weltbühne weitgehend zurückzieht. Die NHL, Nordamerikas Profieishockeyliga, hatte keine Spieler an die Olympiateams abgestellt. Am meisten traf das die USA und Kanada, die faktisch nicht mal mit B-Teams auf dem Eis standen. Die besten russischen Eishockeycracks verteilen sich jedoch auf zwei Ligen: Neben der NHL spielen viele von ihnen auch in der russischen Superliga – und genau die haben jetzt Gold gewonnen.

Seine weltpolitische Bedeutung hat der Sport deswegen, weil er Sport ist, das heißt: weil er ergebnisoffen ist, weil um ihn gekämpft wird. Je mehr er Sport ist, umso mehr bewirkt er politisch. Begriffen hat das interessanterweise – und auch diesen Befund braucht man nicht gut zu finden – Wladimir Putin, der nicht in Südkorea anwesend war. Staatsferne hilft der politischen Mission, die der Sport hat, sehr.

Was passiert, wenn Politik den Sport instrumentalisieren will, weil sie ihn nicht ernst nimmt, war in Pyeongchang auch beim Eishockey zu sehen: Das gemeinsame Frauenteam von Süd- und Nordkorea wurde Letzter.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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