Kommentar Libyen: Neue Stabilität erblüht nicht spontan

Der Bericht des UN-Menschenrechtsrats ist eine gute Grundlage für die Libyer, um Aufarbeitung, Aufklärung und Versöhnung ihrer Geschichte zu unterstützen.

Noch immer sucht das befreite Libyen nach einer neuen, funktionierenden Staatsform. Nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes im vergangenen Jahr zeigte sich, wie viel verbrannte Erde der tote Revolutionsführer in allen Bereichen des politischen Lebens hinterlassen hat. Es gibt so wenig Erfahrung mit regulären Institutionen, dass neue Stabilität nicht spontan aus den Ruinen des alten Regimes erblühen kann. Stattdessen hat der Bürgerkrieg eine Vielzahl bewaffneter Akteure hinterlassen, deren Vorstellungen einer Neuordnung nicht unter einen Hut zu bringen sind.

Die Gefahr, dass Libyen nach Gaddafi im Dauerchaos versinkt wie Somalia vor zwanzig Jahren nach dem Sturz des Diktators Siad Barre, ist keineswegs gebannt, wie jetzt auch die Autonomiebestrebungen in der Region Cyrenaica im Osten des Landes zeigen.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, keine Legenden über die düstere Vergangenheit entstehen zu lassen. Die objektive Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen nach der Überwindung einer Diktatur gehört zu den schwierigsten und zugleich unverzichtbaren Aufgaben einer neuen Regierung.

Internationale Unterstützung ist dabei wichtig: durch den Austausch von Erfahrungen, die etwa Deutschland, Südafrika und Chile bei der Bewältigung ihrer Vergangenheit gemacht haben; und bei der Wahrheitsfindung. Zu dieser kann der Internationale Strafgerichtshof beitragen, er ist aber auch schnell überfordert und für innergesellschaftliche Bewältigung eher ungeeignet.

Insofern ist die Arbeit der Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats zu Libyen zu begrüßen – und sie sollte als Grundlage dafür dienen, in Libyen selbst Prozesse der Aufarbeitung, Aufklärung und Versöhnung zu unterstützen. Dazu gehört auch eine viel intensivere internationale Mitarbeit bei einem Staatsaufbau, der die Interessen aller libyschen Parteien und Bevölkerungsgruppen einbezieht.

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