Kommentar Linksruck in Italien: Der Citoyen ist zurück

Lange galt Beppe Grillo als „Schießbudenfigur“. Nach dem Wahlerfolg seiner 5-Sterne-Partei ist damit Schluss. Jetzt ist er eine ernsthafte Konkurrenz für die Politikerprofis.

„Der Hofnarr wird zum König“ – so titelte eine italienische Zeitung nach dem spektakulären Sieg der Bewegung um den Komiker Beppe Grillo bei den Bürgermeisterwahlen im norditalienischen Parma.

Lange galt Grillo mit seiner „5-Sterne-Bewegung“ den anderen Parteien als eher lästiges, aber nicht weiter ernst zu nehmendes Phänomen, als Schießbudenfigur, die bloß dazu gut sei, den Reflex der Politikverdrossenheit bei einigen Wählern zu bedienen – nicht aber dazu, den Profis der Politik wirklich Konkurrenz zu machen.

Und Beppe Grillo trug zu dieser Fehleinschätzung kräftig bei. Als polterndes Rumpelstilzchen erleben die Italiener ihn bei seinen Wahlkampfauftritten, wenn er Silvio Berlusconi als „Psycho-Zwerg“ und die Politiker von rechts bis links als „Mumien“ beschimpft oder wenn er dem greisen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zuruft, es sei Zeit, endlich in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen.

ist Italien-Korrespondent der taz.

Dennoch macht man es sich zu leicht, wenn man die „5 Sterne“ als einen Haufen politikunfähiger Populisten abtut. Die „5 Sterne“ leben nicht nur von der Wut auf die herrschenden Parteien, die sich in ihren Augen als zu echter Selbsterneuerung unfähig erwiesen haben.

„Anderswo bleiben die Parteien, wechseln aber regelmäßig ihr Personal aus, in Italien bekommen die Parteien alle paar Jahre einen neuen Namen, aber das Personal ist seit 20 Jahren dasselbe“ – so witzeln die Grillo-Fans. Und sie treffen damit ins Schwarze.

Fans übrigens, die zu Tausenden vor Ort, in den Kommunen, engagiert arbeiten, die dem Ideal des demokratischen Bürgers entsprechen: informiert und bereit, sich unentgeltlich in die öffentlichen Angelegenheiten einzumischen.

Und deren politisches Programm sich keineswegs darauf reduziert, die „Altparteien“ in die Wüste zu schicken: Ein bisschen Grüne, ein bisschen Piraten, dies ist ihr programmatisches Angebot an die Wähler. Damit werden sie auch in den nächsten Monaten Erfolge feiern.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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