Kommentar Lkws für die Ukraine: Minister Müller hilft

Angesichts der katastrophalen Versorgungslage ist die Überlegung unerheblich, ob sich ein Politiker mit Hilfstransporten in Szene setzen will.

Mit Hilfsgütern in der Ukraine angekommen: der Bundesminister für Entwicklungszusammenarbeit Bernd Müller. Bild: AP

Was bedeuten die Ereignisse in der Ukraine eigentlich für uns?“, ist eine beliebte Frage. Spricht man über die Ukraine, geht es meistens um Geopolitik, Putin oder die Nato. Und manch ein Kritiker befürchtet, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mache sich die Situation zunutze, um sich mit seinem Hilfstransport in die Ukraine möglicherweise auch mal selbst zu inszenieren.

Angesichts des bevorstehenden kalten Winters und der katastrophalen Versorgungslage gerade im Osten der Ukraine ist die Überlegung, ob sich ein Politiker mit Hilfstransporten selbst in Szene setzen will, unerheblich. Hauptsache, den Menschen wird geholfen. Die Frage sollte heißen: Was bedeutet der Hilfstransport für die Menschen in der Ukraine? Hilfstransporte sind grundsätzlich zu begrüßen.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat in der Ukraine Binnenflüchtlinge getroffen, die deutsche Winterhilfe erhalten. Bei seinem Besuch in der nordöstlichen Stadt Charkow sagte Müller am Dienstag nach Angaben einer Sprecherin: „Wir sind auch dann für unsere Freunde da, wenn es schwierig wird.“ Die Bundesregierung stellt für die Menschen, die vor den Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und pro-russischen Separatisten geflohen waren, rund 1.200 sogenannte Wohnmodule zur Verfügung. Bereits in der vergangenen Woche waren 112 Lastwagen mit deutschen Hilfsgütern in der Ukraine eingetroffen, darunter Heizgeräte, Generatoren, Decken und Winterkleidung. Die Hilfsgüter wurden unweit von Kiew zwischengelagert und dort durch lokal gekaufte Produkte ergänzt. In den vergangenen Tagen wurde die Hilfe dann mit ukrainischen Lastwagen nach Charkow, Slawjansk, Mariupol, Saporoschje und Dnjepropetrowsk im Osten des Landes gebracht. Die ukrainische Regierung hatte zuvor detailliert mitgeteilt, welche Baumaterialien und Hilfsgüter gebraucht werden.

Stutzig macht jedoch die Auswahl der Zielorte: Charkow, Dnepropetrowsk, Mariupol, Saporoschje und Slawjansk. Mit Ausnahme von Slawjansk alles Orte, die vom Krieg nicht direkt betroffen sind. Weitaus schlimmer als in den Zielorten der deutschen humanitären Hilfe sieht es in den Städten Donezk, Gorlowka, Lugansk, Jenakiewo aus.

Dort sind die Geschäfte absolut leer, die Menschen fürchten nicht nur die Kälte, sondern auch den Hunger. Und so dürfte die Frage erlaubt sein: Warum erhalten die Menschen dieser Städte keine humanitäre Hilfe aus Deutschland?

Die Antwort liegt auf der Hand: weil sie nicht von Kiew kontrolliert werden. Es sieht ganz so aus, als seien bei der Auswahl der Empfängerortschaften nicht humanitäre, sondern politische Kriterien ausschlaggebend gewesen. Wenn der Westen die Menschen in den Orten, die nicht von Kiew kontrolliert werden, wirklich für sich gewinnen will, sollte er sich überlegen, ob er nicht auch mal den Menschen in Donezk oder Lugansk einen Hilfstransport schicken könnte.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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