Kommentar Madrid-Urteil: Mit dem Terror leben

Gegen Anschläge wie in Madrid oder London hilft nur Prävention und Integration. Und in dreißig Jahren wird sich hoffentlich auch der islamistische Terror in Europa erledigt haben.

Die RAF hat in knapp drei Jahrzehnten 36 Menschen getötet. Der Terroranschlag von Madrid hat in wenigen Minuten fast 200 Tote gefordert. Getroffen wurden Menschen, die sich zufällig in Vorortzügen befanden. Keine Staatschefs, keine Wirtschaftsführer, keine Fahrer und Polizisten in deren gefährdetem Umkreis. Gegen solche Anschläge auf "weiche Ziele" hilft kein besserer Schutz - Vorortzüge können nicht geschützt werden.

Gegen solche Anschläge - wie sie auch in London stattfanden und in Nordrhein-Westfalen geplant waren - hilft nur Prävention. Geheimdienst und Polizei müssen versuchen, die Planung solcher Anschläge rechtzeitig zu erkennen. Die wesentlichen Instrumente hierzu haben sie, von der Telefon- über die E-Mail-Kontrolle bis zur langfristigen Observation von Verdächtigen. Soweit das polizeiliche Instrumentarium durch neue technische Möglichkeiten, etwa die Verschlüsselung von Telefonaten im Internet, entwertet wird, kann auch über maßvolle Ergänzungen diskutiert werden. Nach wie vor handelt es sich in Deutschland aber höchstens um einige hundert potenziell gefährliche Leute, die man gezielt im Blick haben sollte. Es geht um Einzelpersonen mit individuellen Biografien. Alle Versuche, einen Tätertypus oder eine klassische Terroristenbiografie zu konstruieren, sind gescheitert. Die Täter sind sowohl frisch eingewanderte Studenten als auch hier aufgewachsene Migrantenkinder und inzwischen sogar Konvertiten namens Fritz.

Es geht nicht um einen Kulturkampf oder einen Clash of Civilizations. Deshalb ist im Umgang mit Einwanderern und ihren Religionen vor allem Normalität oder besser Normalisierung angesagt. Das heißt, die dauerhaft hier lebenden Menschen sollen, wenn sie es wünschen, eingebürgert werden. Der Islam soll mit den christlichen Kirchen gleichgestellt werden.

Die gute Nachricht ist: Deutschland scheint im Wesentlichen genau diesen Weg zu gehen - zwar langsam, aber immerhin. Und in dreißig Jahren wird sich hoffentlich auch der islamistische Terror in Europa erledigt haben.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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