Kommentar Merkel in der Türkei: Höfliches Desinteresse

Wenn Europa und Deutschland die Türkei einmal mehr brauchen als umgekehrt, wird man feststellen, dass es die Ära Merkel war, in der die Türkei für Europa verloren ging.

Das Beste, was man Angela Merkel in Bezug auf die Türkei nachsagen kann, ist, dass sie das Land nicht interessiert. Das gilt auch nach dem scheinbar versöhnlichen Ende ihres Staatsbesuches. Alles, was sie zu den Verhandlungen mit der EU sagt, zielt darauf ab, die Türken zu entmutigen. Ihr Ziel ist ganz offenbar, Ankara dazu zu bringen, von sich aus die Beitrittsverhandlungen zu beenden. Auch dieses Mal verband sie ihre Formel, sie würde sich an bestehende Verträge halten, sofort mit dem Hinweis auf Zypern, wohlwissend, dass die griechischen Zyprioten ihr bester Verbündeter sind, wenn es gilt, die Türken aus der EU herauszuhalten.

Mit Maria Böhmer hat sich Merkel zudem eine Integrationsbeauftragte ausgesucht, die die mit Abstand unbeliebteste Figur seit der Einführung dieses Amtes ist. Anders als ihre Vorgängerinnen ist Böhmer keine Anwältin der Einwanderer, sondern gefällt sich darin, die Menschen in dümmlicher Weise zu belehren. Diese Integrationspolitik unter Merkel und Böhmer führt dazu, dass die qualifiziertesten türkischstämmigen Migranten Deutschland fluchtartig verlassen und stattdessen die deutsch-türkische Szene in Istanbul bereichern.

Die türkische Politik ist in den letzten Jahren deutlich selbstbewusster geworden. Erdogan ist ein Politiker, der in seinen Äußerungen oft überzieht und selten einen Fettnapf auslässt. Aber in seiner Ablehnung der Rolle als demütiger Bittsteller vor den Toren Europas ist er sich mit der großen Mehrheit seiner Landsleute einig.

Schon in zehn Jahren könnte die Zeit gekommen sein, in der Europa und Deutschland die Türkei mehr brauchen als umgekehrt. Im Rückblick wird man dann feststellen, dass es die Ära Merkel war, in der die Türkei für Europa verloren ging.

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