Kommentar Militärabkommen: Schulterschluss der Absteiger

Mit dem britisch-französischen Verteidigungsabkommen wird der imperiale Anspruch der beiden einst größten Kolonialnationen Europas zu neuem Leben erweckt.

Ein Hauch von Dekadenz umweht das neue Verteidigungsabkommen zwischen Großbritannien und Frankreich. Zwei Weltmächte auf dem absteigenden Ast legen ihre militärischen Fähigkeiten zusammen, damit sie weltmachtfähig bleiben. Beiden Nationen droht nämlich derzeit aus finanziellen Gründen der Verlust dessen, was ihren Status ausmacht: die Fähigkeit, überall auf der Welt militärisch intervenieren zu können.

Jetzt sollen Spezialkräfte beider Nationen kooperieren, es wird gemeinsame Atomwaffenüberprüfungen geben; eine britisch-französische Eingreiftruppe wird aufgestellt. Flugzeugträger und andere logistische Kapazitäten werden gemeinsam genutzt. Das ist ambitionierter, als es aussieht - abgesehen von dem unrealistischen Traum eines gemeinsamen Atomwaffenarsenals ist der Zusammenlegung von Streitkräften über den Kanal zu Einsatzzwecken jetzt theoretisch keine Grenze mehr gesetzt.

Vielen traditionalistischen und ehrpusseligen Generälen beider Länder geht das gegen den Strich. Das politische und militärische Selbstverständnis von Paris und London bleibt grundverschieden, die französische und britische Art der Machtprojektion ist komplett gegensätzlich.

Doch zugleich sendet die neue britisch-französische Entente ein interessantes Signal an den Rest der Welt aus. Die einst von Frankreich gepflegten gesamteuropäischen Tagträume unter der Trikolore sehen plötzlich ebenso alt aus wie das einst von Großbritannien gepflegte Wunschdenken einer "special relationship" mit den USA.

Stattdessen erwecken Cameron und Sarkozy den imperialen Anspruch der beiden einst größten Kolonialnationen Europas zu neuem Leben. Sie müssen jetzt weniger Rücksicht auf europäische oder transatlantische Partner nehmen und können jetzt unbekümmerter als früher gemeinsam handeln. Von Washington bis Brüssel, von der Saharawüste bis zum Hindukusch werden sich so manche fragen, was das für sie bedeutet.

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