Kommentar Mobbing am Arbeitsplatz: Solidarität statt Ausgrenzung

Unternehmer, die ältere und besser bezahlte Arbeitnehmer aus den Betrieb mobben, betrügen ihre Mitarbeiter. Sie kündigen einseitig den Leistungsdeal.

Mobbing ist billiger als ein Sozialplan. So funktioniert die Logik mancher Chefs, die Beschäftigte mit Psychoterror quälen. Ein Angestellter, der nach diversen Krankschreibungen irgendwann aus psychischen Gründen in die Frühverrentung wechselt, muss schließlich nicht teuer abgefunden werden. Die Schäden, die Mobbing anrichtet, sind immens - egal, ob es nun von Chefs ausgeht oder von KollegInnen. Es isoliert Menschen durch systematische Ausgrenzung, viele Opfer können nach solch einer zerstörenden Erfahrung nie mehr arbeiten.

Mobbing kündigt wesentliche Prinzipien auf, auf denen die Arbeitswelt basiert. Zusammenarbeit im Betrieb ist durch Regeln strukturiert, Mobbing hingegen bleibt dunkel und intransparent. Betroffene können sich vor Gericht kaum wehren, weil es oft in Vieraugensituationen passiert oder schwer zu definieren ist. Ist es schon Mobbing, wenn alle einen in Diskussionen ignorieren? Wenn keiner grüßt? Oder die Kaffeetasse ständig verschwindet?

Mobbing ist zudem der Ausdruck einer individualisierten Gesellschaft, die in den vergangenen Jahren auf ökonomische Effizienz gesetzt hat. Ob nun Unis ihre Studierenden auf Leistung trimmen, Firmen ständiges Funktionieren fordern oder die Gesellschaft Arbeitslosigkeit nach wie vor als selbst verschuldet stigmatisiert, all dies nährt eine Kultur, die Mobbing fördert.

Dass es häufig ältere Arbeitnehmer trifft, belegt nicht nur, dass Erfahrungswissen kaum noch geschätzt wird. Es beweist auch, wie zynisch Firmen ihren Vorteil ausrechnen. In Deutschland ist die Entlohnung in der Regel nach dem Senioritätsprinzip organisiert. Junge Beschäftigte leisten viel und bekommen wenig Geld. Je länger ein Angestellter im Betrieb arbeitet, desto mehr Lohn bezieht er - auch wenn im Alter die Produktivität sinkt. Kappen nun Unternehmen durch Mobbing die bestbezahlten Jahre, betrügen sie die MitarbeiterInnen, indem sie den Leistungsdeal kündigen.

Den Betroffenen bleibt im Prinzip nur eines: Sie müssen der Strategie Mobbing eine eigene Strategie entgegensetzen. Und sich sofort und koordiniert zur Wehr setzen - indem sie Vorfälle protokollieren, Hilfe suchen und Solidarität einfordern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.